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Die Feindseligkeit wächst weiter. – So oder ähnlich lauteten die Überschriften zu den Berichten über eine Studie der EU-Grundrechteagentur zu "Erfahrung und Wahrnehmung von Antisemitismus", veröffentlicht Ende 2018. Die Befragungen erfolgten in zwölf EU-Staaten. In Deutschland wurden 1233 Personen befragt. 41 Prozent der befragten Juden in Deutschland gaben an, in den letzten zwölf Monaten Antisemitismus erlebt zu haben. Dabei waren es in etwa 40 Prozent der Fälle Freunde, Bekannte, Arbeitskollegen oder Mitschüler, die Juden antisemitisch beleidigten oder ausgrenzten.
Irmgard Schwaetzer
Diese Zahl ist erschreckend, gerade angesichts der Erinnerung unserer nationalsozialistischen Vergangenheit und der Schoah, die in den Schulen, Gedenkstätten und an vielen anderen Orten wachgehalten wird. Die Vergangenheit ist Teil der Geschichte eines jeden, der hier lebt – egal ob zugezogen oder seit Generationen hier lebend. Es liegt an jedem von uns, jederzeit entschieden für die Rechte und die Unversehrtheit der jüdischen Bürgerinnen und Bürger einzutreten, um ihr Vertrauen in ihre Zukunft in Deutschland zu stärken.
Deshalb ist es auch so wichtig, in dem von Rechtspopulisten angezettelten neuen Streit über die Erinnerungskultur klar Stellung zu nehmen. Aus der Vergangenheit können wir nur lernen, wenn wir die Erinnerung wachhalten: daran, dass das politische Klima vergiftet, Meinungsfreiheit unterdrückt wurde, dass Menschenrechte ausgehebelt, schließlich ganze Bevölkerungsgruppen bedroht, vertrieben und schließlich systematisch ausgelöscht wurden. Ohne Kenntnisse über diese Zeit lassen sich viele aktuelle gesellschaftliche Debatten und Probleme gar nicht nachvollziehen. Provokationen der Rechtspopulisten knüpfen häufig an Vorurteile und Zuschreibungen an, die während der Zeit des Nationalsozialismus gezielt zur Ausgrenzung und Tötung von Jüdinnen und Juden eingesetzt wurden.
"Gerade angesichts der Bedrängnis von Jüdinnen und Juden muss die Zivilgesellschaft widerstehen, wenn Menschen abgewertet werden"
Die Kenntnisse über diese Zeit gilt es weiterzugeben, damit das "Nie wieder!" kraftvoll bleibt, das in der ersten Nachkriegsgeneration unter anderem die Entwicklung des Friedensprojektes Europa vorangetrieben hat. Für diese Weitergabe sind wir gemeinsam verantwortlich. Gerade angesichts der Bedrängnis von Jüdinnen und Juden heute muss die Zivilgesellschaft widerstehen, wenn Menschen abgewertet und ausgegrenzt werden.
Auch weitere Wege der Geschichtsvermittlung zu entwickeln ist aller Mühen wert. Es gibt in Deutschland bereits Gedenktage: zum Beispiel den 27. Januar, der seit 1996 an die Opfer des Nationalsozialismus erinnert. Es gibt das Denkmal für die ermordeten Juden, das mitten in Berlin unübersehbar an den Zivilisationsbruch der Schoah erinnert und das mit seinem "Ort der Information" Millionen Menschen in jedem Jahr besuchen. Es gibt Gedenkstätten, die an regionale Geschehnisse anknüpfen mit Gedenkbüchern, eigenen Gedenktagen oder Erinnerungsstelen. Stolpersteine verweisen auf deportierte und ermordete Nachbarn. An weiteren Ideen ist kein Mangel: moderierte Generationendialoge, modernere Ausstellungen, die Einbindung in touristische Angebote, digitale Vernetzung.
Einen hohen Wert haben die Gedenkstätten auf dem Gelände von Konzentrations- und Vernichtungslagern wie Oranienburg oder Dachau. Die Versöhnungskirche auf dem Gelände des Konzentrationslagers Dachau weist auf das Versagen weiter Teile der evangelischen Kirche während der Zeit des Nationalsozialismus hin. An vielen dieser Lernorte werden Schülerprojekte realisiert, Tausende von Besuchern setzen sich der Erinnerung an die Geschichte aus. Es ist eine wichtige Grundlage dafür, dass wir die Würde aller Menschen auch in Zukunft schützen.
Diskriminierend
das engagierte Plädoyer von Frau Dr. Schwätzer ist lobenswert. Dieses Kompliment trägt das ABER bereits in sich. Da steht der Satz: "Es liegt an jedem von uns, jederzeit entschieden für die Rechte und Unversehrtheit der jüdischen Bürger und Bürgerinnen einzutreten, um ihr Vertrauen in ihre Zukunft in Deutschland zu stärken."
Dagegen ist nichts einzuwenden - oder doch? Bitte ersetzen Sie den Begriff "jüdischen" in diesem Satz durch "asylsuchenden", "farbigen", "homosexuellen", "minderjährigen" oder einfach nur "weiblichen". Die Aussage bliebe ebenso verletzend, exklusiv und diskriminierend wie sie es in der von Ihnen gedruckten Form ist.
Da der Kontext eindeutig ist, gibt es für den zitierten Satz eine einzige zulässige Wortwahl und diese lautet: "Es liegt an jedem von uns, jederzeit entschieden für die Rechte und Unversehrtheit EINES JEDEN MENSCHEN HIERZULANDE einzutreten, um Vertrauen in Deutschland zu stärken."
Die scheinbar nur geringfügig veränderte Wortwahl ist weder eine Petitesse noch Haarspalterei, denn Gedanken formen unsere Lebenswirklichkeit. Insbesondere in einem christlich gepägten Magazin hätte ich ein entsprechendes Bewußtsein erwartet, heißt es doch in der
Bibel: Am Anfang war das Wort.
Immerhin bleibt uns die Hoffnung. Hoffnung darauf, dass DIESES exklusive Wort nicht allzu viel Gehör findet.
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