Eine Gesellschaft in Unruhe
Wie reagieren auf einen demokratisch gewählten Präsidenten, der Bomben wirft, Ausländer in Angst versetzt, Familien spaltet?
Evelyn Dragan
22.05.2017

"Die Angst geht bei uns um“, sagt mir eine Professorin an einer US-amerikanischen Universität. Schätzungsweise 20 Prozent der Studierenden dort haben keinen legalen Aufenthaltsstatus. „Kann das sein?“, frage ich sie. „Ja“, sagt sie, „wer sich hier anmeldet, muss nicht die Staatsbürgerschaft nachweisen.“

Ein lutherischer Pfarrer erzählt, dass drei wohlhabende Familien seine Gemeinde verlassen haben, nachdem er in einer Predigt das Einreiseverbot für Menschen aus sieben muslimisch geprägten Ländern durch Präsident Trump kritisiert hatte. Es habe eine heftige Diskussion im Kirchenvorstand gegeben. Wenn der Pfarrer weiter so politisch predige, könnte es sein, dass ihnen der Status ab­erkannt würde, der Steuerfreiheit bedeutet, denn der hänge an der Nichteinmischung in politische Fragen.

Auch die Frage des „sanctuary“, ob also die Kirche ein Zufluchtsort für Menschen ohne legalen Aufenthaltsstatus sein sollte, spaltet die Gemeinden. Eine Pastorin erläutert, dabei gehe es darum, diese Menschen zu schützen, angefangen damit, Anweisungen zu ignorieren, etwa dass sie den Behörden gemeldet werden sollen, bis hin zu einer Art Kirchenasyl, das vor Abschiebung retten kann. Denn mit der Abschiebung werden oft Eltern von Kindern getrennt. Gemeinden verteilen jetzt Formulare, die klären, wer für Kinder im Falle einer Abschiebung zuständig ist.

Christsein überschreitet die nationalen Grenzen

In der „New York Times“ wurde die Frage aufgeworfen, ob es sich um einen „Bonhoeffer-Moment“ handle, in dem Christinnen und Christen also aktiv Widerstand leisten sollten. Aber wie denn?, wird gefragt. Klar kann die Zivilgesellschaft Widerstand zeigen gegen einen Präsidenten, der gegen Religions- und Meinungsfreiheit, gegen Frauenrechte und Rassengleichheit steht. Andererseits: Es waren demokratische Wahlen. Viele argumentieren taktisch. Sie sagen, Trump dürfe keinesfalls verfrüht abtreten, also vor dem Ende dieser Wahlperiode. Die Chance sei doch, dass die oppositionellen Demokraten einen Kandidaten oder eine Kandidatin aufbauen, der oder die gewinnen könne, wenn alle nach vier Trump-Jahren völlig entnervt sind. Komme hingegen Mike Pence, sein Vizepräsident, an ­die Reihe, könnte er so gut die Fäden ziehen, dass es eine zweite republikanische Amtszeit gebe.

Eine Gesellschaft in Aufruhr. Ein Pfarrer meint, viele hätten Angst vor Weihnachten gehabt, weil sich ganze ­Familien über Trump zerstreiten. Gerade die evangelikalen Kirchen haben Trump unterstützt, zuallererst, weil Hillary Clinton sich für ein Recht auf Abtreibung ausgesprochen hat, er in dieser Frage dagegen unklar blieb. Jetzt fragen sie sich, welche Politik sie da mitverantworten. Die Unberechenbarkeit des US-Präsidenten spaltet nicht nur die USA, sondern gefährdet ganze Weltregionen. Da greift er in Syrien militärisch ein, lässt die „Mutter aller Bomben“ – was für ein unsäglicher Begriff! – abwerfen, aber niemand weiß, ob er überhaupt eine durchdachte Strategie hat. Ob überhaupt und wenn ja welche Pläne diesen Präsidenten mit Blick auf Nordkorea umtreiben, ist ebenso unklar.

Trump macht Angst – in den USA und weltweit. Und was machen wir als Christen? Unsere Stärke ist, dass wir nicht an nationale Grenzen gebunden sind. Christsein überschreitet die Grenze zwischen den USA und Mexiko. Das habe ich erlebt bei einem Abendmahlsgottesdienst am Zaun dort. Christsein überschreitet auch die Grenze zwischen den USA und Europa. Ob ein Mensch ein­­heimisch oder geflüchtet ist, ist nicht entscheidend für Christen. Wir sind Geschwister in der einen Familie der Kinder Gottes. Das macht Mut in Zeiten der Angst. Es macht Mut auch den hispanischen Familien und Studierenden ohne Aufenthaltsrecht in den USA.

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Sehr geehrte Damen und Herren, ich halte den Artikel von Frau Käsmann für absoluten Käse. Was hat sich denn für die Syrier geändert zu Obama? Nichts. Hatte man vor Obama Angst? Nein. Hätte man aber haben sollen. Dessen Bomben war wahrscheinlich friedlicher wie die von Trump. Was bitte ist an Trump so schlecht? Das er nein sagt? Das er an Amerika denkt? Oder das wir tollen Deutschen uns herausnehmen ein Urteil über ihn zu bilden? Sie Frau Käsmann spalten Familien. Sie sollten als Vorbild vorangehen als Christ in der Öffentlichkeit. Ausgerechnet Sie werfen mit Steinen. Springen Sie bitte nicht auf den Zug derer auf die ihn nur nicht haben wollen.Sie sollten die Bibel den Menschen vorleben. Urteilen Sie nicht über andere, das steht nur einem zu und Sie sollten das ganz genau wissen, Ihnen auf jeden Fall nicht, Sie kennen ihn doch gar nicht sondern nur aus der Presse, welche sich auch Urteile erlaubt welche ihr nicht zustehen. Sie machen auch nur gut Wind weil es Ihnen nutzt. Die Kirche soll ihren Job machen und der ist den Glauben an Jesus zu verbreiten. Keine Politik.Durch Artikel wie der Ihre werden Kirchen nicht voll.
Gott segne Sie
Mit freundlichen Grüßen
Hartmut Boeden

Antwort auf von Hartmut Boeden (nicht registriert)

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Sehr geehrter Herr Boeden, die Kirche und der Großteil der Christen haben sich schon einmal nicht der politischen Verhältnisse, sondern ihres frommen Auftrags gewidmet. Herausgekommen ist eine Katastrophe ohne gleichen. Es geht nicht darum, einen Menschen zu verunglimpfen, sondern ich verstehe eine Mahnung vor den bereits sichtbaren Folgen einer Politik, die Menschen nicht als Ebenbilder Gottes, sondern als beschimpfenswertes "Material" ansieht. Diese Beschimpfungen hat sich Frau Käsmann nicht ausgedacht, sondern ich höre sie fast täglich in Nachrichten und lese sie in Zeitungen. Christen gehören nach meiner Meinung in die Welt, um dort etwas zu verändern und nicht nur hinter dicke Kirchenmauern.
Mit freundlichen Grüßen, Petra Meister

Kirche kann nicht wirklich Politik machen, denn sie ist weder politisches Organ, noch "Bürger". Wann immer sich Kirche an Politik versucht, kann es nichts Anderes als einseitiges moralisieren sein. Nicht, dass der moralische Aspekt per se negativ wäre, liegt das Problem vielmehr darin, dass sich politisierende Kirchenvertreter einer bestimmten politischen Richtung, dem mainstream verpflichtet fühlen. Frau Kässmann ist dafür eine typische Vertreterin. Im mainstream ist derzeit links das Gute und alles, was nicht in dieses Schema passt ist automatisch rechts, reaktionär, dunkel, Pack, nationalistisch, usw.
Es ist und kann nur pure Gesinnungs-Ethik sein. Gute Politik braucht hingegen Verantwortung-Ethik.
Im Ergebnis ist Trump der "Böse", während Obama der "Gute" war. Folglich beginnt Frau Kässmanns Artikel mit der Überschrift "... Präsident.... der Bomben wirft...".
Herr Böden hat absolut Recht, Obama (zusammen mit Hillary Clinton) hat de facto einer der blutigsten Spuren aller Präsidenten und eine gespaltene Gesellschaft hinterlassen. Er hat über Jahre den Zaun zu Mexico gebaut, doch wird in der medialen Wahrnehmung Trump dafür gescholten.
Man will es nur nicht sehen, sondern lässt sich (nur allzu gern) von seinem sunnyboy-haften Auftreten blenden. Siehe letzter ev. Kirchentag.
Die öffentlich zur Schau getragene Meinung einiger kath. Bischöfe verstärkt das Bild.
Wenn das die "Politik" der Kirche ist, dann hat Herr Boeden Recht. Wann, in der Geschichte hat der Versuch kirchlicher "Politik" etwas Gutes bewirkt?

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Trump ist einfach indiskutabel: in jeder Hinsicht, ob politische Inhalte oder persönlicher Stil!
Wichtiger scheint mir, dass dieser Präsident eine Symbolfigur darstellt für eine tiefe und krisenhafte Verunsicherung in allen westlichen Demokratien. Trump bündelt die fundamentalen Zukunftsängste mit seinen extrem wirren Nationalismus und Isolationismus. Doch dieser Bazillus geht vielfach um - und auch Deutschland muss sich an die eigene Nase fassen: z. B. indem die Klimaziele bis 2020 mit Sicherheit verfehlt werden. Aber nur durch effektive Politik werden Ängste wirksam bekämpft.