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Die Zeit der Ansichtskarten, die ich so sehr geliebt habe, ist leider vorbei. Deshalb erscheinen jetzt auf meinem Tablet, im PC und auf dem Smartphone Schnappschüsse derer, die sich in der Welt herumtreiben. Ich finde das schön, denn so sehe ich, wo meine Lieben sind: in Asien, auf der Fränkischen Seenplatte oder in der Provence, am Schliersee, in London oder einem Nationalpark. Natürlich sind die Bilder alle großartig, die Landschaften zum Verlieben, die Menschen glücklich. Ich sehe Gläser voll verlockender Getränke und Teller mit leckerem Essen.
Was ich nicht sehe, sind Pleiten. Regengüsse, miese Aussichten, Minipools, langweilige Speisekarten, verdorbene Laune, missgestimmte Kinder. An den Urlaub werden höchste Erwartungen gestellt. Er muss wettmachen, was im Alltag schiefläuft, einen über Gebühr belastet und nervt. Die freie Zeit hat einfach perfekt zu sein – da darf nichts passieren. Vielleicht klagen auch deswegen so viele Touristen, wenn ihnen dann doch etwas nicht passt. Acht Tage all-inclusive für 360 Euro: Auch da erwartet man einen Traumurlaub, obwohl es den für dieses Geld so nicht geben kann. Jedenfalls nicht im Hotel.
Geklagt wird: vor Gericht, aber nicht vor Freunden, Bekannten und Arbeitskollegen. Die sollen sehen, dass der Urlaub toll war und man selbst damit auch. Ein gelungener Urlaub schmückt den Menschen. Man hat die richtige Zeit ausgewählt, das Wetter war einem hold, die Menschen freundlich, die Kultur bereichernd, das Abenteuer inkludiert, die kulinarischen Ereignisse unvergleichlich – das alles sagt etwas über einen selber aus. Auf mich wirkt das manchmal so, als wäre selbst der Urlaub eine Leistung, die man zu erbringen hat. Ein Erfolg, den man vorweisen kann und muss. Koste es, was es wolle.
Erst Regengüsse, dann Sonnenbrand
Kann sein, dass mancher denkt, er würde unten durch sein, wenn er nicht von einer glanzvollen freien Zeit erzählen kann. Dumm dastehen? Bloß nicht. Andere sind da gelassener. Als mein Mann und ich einen lange angesparten Urlaub in Vietnam antraten, voller Hoffnung auf sommerliche Tage und Raum zum gemeinsamen Auftanken, goss es die ersten vier Tage in Strömen. Das Häuschen, das wir gemietet hatten, hatte keine Katzen-, sondern viele Moskitoklappen. Mücken machten Jagd auf uns und umgekehrt.
Die Regenschleier fotografierte ich und schickte sie heimwärts. Als die Sonne wieder herauskam, rannten wir am Strand entlang und holten uns einen Sonnenbrand. Davon habe ich kein Foto gemacht, weil ich Selfies hasse. Aber ich habe später davon erzählt. Was die Folge war? Echtes Mitgefühl. Niemand war schadenfroh, keiner lachte. Überall ernteten wir Verständnis. Und auf einmal erzählten alle von Pleiten. Von Baustellen, nachlässigem Service, Fehlplanung und verplemperten Tagen. Das verband uns und führte zu manchen Heiterkeitsausbrüchen.
Als ich neulich einen guten Bekannten anfunkte, ob es ihm samt den Kindern am Gardasee beim Zelten gut ginge, antwortete er nur lapidar: „Na ja, wir saufen ab. Regen, was vom Himmel kommt, und das den ganzen Tag.“ Sie können sich vorstellen, was ich gemacht habe. Selber mitten im niederländischen Sonnenschein, habe ich einfühlsam Empörung gezeigt, Solidarität bewiesen und Perspektiven für die nächsten Tage entwickelt.
Gerne hätte ich mich mitgefreut über tolles Wetter beim Campen. Aber echte, intensive Nähe kriegt man auch ab, wenn man ehrlich ist.
Das verbindet Menschen
Ist der Urlaub nicht für viele eine Art Statussymbol ? Wohin fährt man, wie oft und wie lange verreist man, macht man überhaupt Urlaub ? Kommt man auch gut erholt wieder nach Hause, kann von tollen Erlebnissen berichten, Fotos dazu zeigen und vor allem die so begehrte „Neiderregungsbräune“ präsentieren ? Irgendwie setzt sich so mancher leider auch in seinen Ferien unter Stress, „als wäre selbst der Urlaub eine Leistung, die man zu erbringen hat“, wie es in dem Artikel so treffend heißt. Alles muss toll, muss einfach „perfekt“ sein. Sind die Erwartungen an den Urlaub zu hoch, bleiben Frust und Enttäuschungen oft nicht aus, die den Erholungseffekt stark beeinträchtigen können. „In der Ruhe steckt die Kraft,“ lehrt uns doch eine bewährte Lebensweisheit. Urlaub macht daher wahrscheinlich nur diejenigen wirklich glücklich, die jeden freien Tag richtig genießen können, sich nicht unter Druck oder Wirkzwang setzen, denen es gelingt, einfach nur zur Ruhe zu kommen. Dazu gehört sicher auch, sich nicht über alles Mögliche aufzuregen z.B. über schlechtes Wetter, penetrante Feriengäste, Staus auf den Straßen. Schön, wenn man die Gelassenheit besitzt, auch davon zu berichten! Das verbindet Menschen, macht sie einfach menschlicher, als wenn sie nur zu glänzen versuchen. In dem Sinne erholsame, frohe Ferien!
Mit freundlichen Grüßen, Gabriele Gottbrath
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