Theologin Susanne Breit-Keßler
Darf man sagen: Der Urlaub war nicht gut? Die Theologin Susanne Breit-Keßler antwortet auf Fragen, die uns bewegen
Monika Höfler
Urlaub macht glücklich
Und wehe, wenn nicht! Sieht fast so aus, als wären schöne Ferien ein Erfolg, den man vorweisen muss
19.07.2016

Die Zeit der Ansichtskarten, die ich so sehr geliebt ­habe, ist leider vorbei. Deshalb erscheinen jetzt auf meinem ­Tablet, im PC und auf dem Smartphone Schnappschüsse derer, die sich in der Welt herumtreiben. Ich finde das schön, denn so sehe ich, wo meine Lieben sind: in Asien, auf der Fränkischen Seenplatte oder in der Provence, am Schliersee, in London oder einem Nationalpark. Natürlich sind die Bilder alle großartig, die Landschaften zum Verlieben, die Menschen glücklich. Ich sehe Gläser voll verlockender Getränke und Teller mit leckerem Essen.

Urlaub macht glücklich - oder er soll es zumindest. Susanne Breit-Keßler gibt Tipps, wie man sich schon vorher vor zu hohen Erwartungen schützt. Und wenn der Urlaub doch schiefgeht, hat das auch etwas Positives, findet sie.

Was ich nicht sehe, sind Pleiten. Regengüsse, miese Aussichten, Minipools, langweilige Speisekarten, verdorbene Laune, missgestimmte Kinder. An den Urlaub werden höchste Erwartungen gestellt. Er muss wettmachen, was im Alltag schiefläuft, einen über Gebühr belastet und nervt. Die freie Zeit hat einfach perfekt zu sein – da darf nichts passieren. Vielleicht klagen auch deswegen so viele Touristen, wenn ihnen dann doch etwas nicht passt. Acht Tage all-inclusive für 360 Euro: Auch da erwartet man einen Traumurlaub, obwohl es den für dieses Geld so nicht geben kann. Jedenfalls nicht im Hotel.

Geklagt wird: vor Gericht, aber nicht vor Freunden, Bekannten und Arbeitskollegen. Die sollen sehen, dass der Urlaub toll war und man selbst damit auch. Ein gelungener Urlaub schmückt den Menschen. Man hat die richtige Zeit ausgewählt, das Wetter war einem hold, die Menschen freundlich, die Kultur bereichernd, das Abenteuer inkludiert, die kulinarischen Ereignisse unvergleichlich – das alles sagt etwas über einen selber aus. Auf mich wirkt das manchmal so, als wäre selbst der Urlaub eine Leistung, die man zu erbringen hat. Ein Erfolg, den man vorweisen kann und muss. Koste es, was es wolle.

Erst Regengüsse, dann Sonnenbrand

Kann sein, dass mancher denkt, er würde unten durch sein, wenn er nicht von einer glanzvollen freien Zeit erzählen kann. Dumm dastehen? Bloß nicht. Andere sind da gelassener. Als mein Mann und ich einen lange angesparten Urlaub in Vietnam antraten, voller Hoffnung auf sommerliche Tage und Raum zum gemeinsamen Auftanken, goss es die ersten vier Tage in Strömen. Das Häuschen, das wir gemietet hatten, hatte keine Katzen-, sondern viele Moskitoklappen. Mücken machten Jagd auf uns und umgekehrt.

Die Regenschleier fotografierte ich und schickte sie heimwärts. Als die Sonne wieder herauskam, rannten wir am Strand entlang und holten uns einen Sonnenbrand. Davon habe ich kein Foto gemacht, weil ich Selfies hasse. Aber ich habe später davon erzählt. Was die Folge war? Echtes Mitgefühl. Niemand war schadenfroh, keiner lachte. Überall ernteten wir Verständnis. Und auf einmal erzählten alle von Pleiten. Von Baustellen, nachlässigem Service, Fehlplanung und verplemperten Tagen. Das verband uns und führte zu manchen Heiterkeitsausbrüchen.

Als ich neulich einen guten Bekannten anfunkte, ob es ihm samt den Kindern am Gardasee beim Zelten gut ginge, antworte­te er nur lapidar: „Na ja, wir saufen ab. Regen, was vom Himmel kommt, und das den ganzen Tag.“ Sie können sich vorstellen, was ich gemacht habe. Selber mitten im niederländischen Sonnenschein, habe ich einfühlsam Empörung gezeigt, Solidarität bewiesen und Perspektiven für die nächsten Tage entwickelt.

Gerne hätte ich mich mitgefreut über tolles Wetter beim ­Campen. Aber echte, intensive Nähe kriegt man auch ab, wenn man ehrlich ist. 

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Ist   der   Urlaub  nicht  für   viele   eine   Art   Statussymbol ? Wohin   fährt  man, wie oft   und   wie  lange   verreist   man,  macht   man   überhaupt  Urlaub ? Kommt   man   auch   gut   erholt   wieder   nach   Hause,   kann  von  tollen Erlebnissen berichten, Fotos   dazu   zeigen und  vor   allem   die   so   begehrte   „Neiderregungsbräune“   präsentieren ?  Irgendwie     setzt   sich   so   mancher  leider    auch  in   seinen   Ferien   unter     Stress, „als wäre selbst   der   Urlaub   eine   Leistung,  die   man   zu   erbringen  hat“, wie  es   in   dem   Artikel   so   treffend   heißt.   Alles   muss   toll,   muss  einfach „perfekt“  sein.  Sind   die   Erwartungen   an   den   Urlaub   zu   hoch,   bleiben   Frust   und   Enttäuschungen  oft   nicht   aus,   die  den   Erholungseffekt  stark   beeinträchtigen   können. „In   der   Ruhe   steckt   die   Kraft,“  lehrt   uns   doch   eine   bewährte  Lebensweisheit.  Urlaub   macht  daher   wahrscheinlich   nur   diejenigen  wirklich glücklich,  die   jeden   freien  Tag  richtig  genießen  können,   sich   nicht   unter   Druck   oder  Wirkzwang  setzen,   denen  es   gelingt,  einfach  nur  zur  Ruhe  zu  kommen.   Dazu   gehört   sicher   auch,   sich nicht  über  alles  Mögliche aufzuregen  z.B.  über  schlechtes  Wetter, penetrante  Feriengäste,   Staus   auf   den    Straßen. Schön, wenn   man   die   Gelassenheit   besitzt,  auch  davon   zu   berichten!    Das   verbindet   Menschen,   macht   sie  einfach  menschlicher,   als   wenn   sie   nur   zu   glänzen   versuchen.  In  dem   Sinne   erholsame, frohe   Ferien!

Mit   freundlichen   Grüßen, Gabriele   Gottbrath