Internet-Troll
Man sieht sie nicht, muss aber auf sie reagieren: Hater im Internet
Foto: Daniel Schweitzer / Plainpicture
Warum der Hass?
Trolle schreiben böse Kommentare im Internet. Sie wirken so mächtig, weil zu wenige dagegenhalten
Tim Wegner
26.01.2016

chrismon: Ihr Thema ist „Deviantes Verhalten im Internet“ – was ist das?

Isabell Ziegler: Deviant bedeutet abweichend. Deviante Äußerungen wider­sprechen einem Konsens. Sie sind etwa demokratie­feindlich. Oder verstoßen gegen die Menschenwürde. Der Satz „Die Scheiß­ausländer nehmen uns die Jobs weg!“ ist deviant. Die Aussage „Ich habe Angst, dass Wohnungen knapp werden“ ist es nicht.

Woher kommt der Hass im Internet?

Oft gilt Anonymität als Erklärung dafür. Aber auf Facebook schreiben Leute Hasskommen­tare, obwohl alles sichtbar ist: der Name, die Freunde, die Hobbys, Fotos...

Was ist Ihre Erklärung?

Im Netz können wir uns moralische Blasen schaffen. In ihnen schwimmen Gleichgesinnte, die akzeptieren, wenn ich schlecht über Zugewanderte rede. Wenn ich auf einer Party Vorurteile äußere, riskiere ich Widerspruch. Auf einer Feier schräg angesehen zu werden ist eine unangenehme Situation, die mir so in meiner Blase im Netz nicht passiert. Aber das allein erklärt den Hass auch nicht.  

Was muss hinzukommen?

Was in der „echten“ Welt funktioniert, fehlt im Internet: Wer sich an einer Kasse vordrängelt, bekommt zu hören, dass das nicht geht. Extremisten haben das Netz sehr früh für sich entdeckt. In traditionellen Medien hatten sie kaum Chancen auf Aufmerksamkeit, im Internet konnten sie sich ausbreiten. Das fällt uns nun auf die Füße, auch wenn die Entwicklung schon seit Jahren zu beobachten ist. Denn es gibt zu wenige Gegen­meinungen, die auf eine rassistische Bemerkung erwidern: „Es ist nicht in Ordnung, pauschal über Gruppen zu urteilen.“

Wie viele Pöbler gibt es denn im Internet?

Laut der „ARD/ZDF-Onlinestudie 2015“ sind 63 Prozent der Deutschen täglich online. Davon nutzen zwölf Prozent wenigstens einmal wöchentlich Foren, 34 Prozent sind mindes­tens einmal wöchentlich in Online-­Communitys wie Facebook. Wie viele dort politische Themen kommentieren, ist nicht klar. Der Digitalverband Bitkom hat in einer repräsentativen Umfrage herausgefunden, dass sechs Prozent der User schon einmal Hasskommentare verfasst haben. Ich würde sagen: Es sind also nicht so viele Pöbler, aber sie entfalten eine gewisse Wucht. 

Und wie sollten wir mit ihnen umgehen?

Sachlich mit Fakten widersprechen. Man muss ja nicht mit vollem Namen posten.

Aber „Hater“ machen schlechte Laune!

Selbstfürsorge ist wichtig, die Reaktionen können heftig sein. Also Kommentar ab­setzen und den Rechner ausmachen. Dann ist immerhin eine Gegenposition online.  

Und in zehn Jahren?

Stehen hoffentlich unter jedem Hasskommentar zehn sachliche Gegenkommentare. 

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"Die Kommentare anderer Leute:
teils Verschwörer der übelsten Sorte,
teils dumpfbackige, hirnlose Beute
einer versponnenen, verbohrten Kohorte."

In seinem Song "Der Tastatur-Revoluzzer" hat Sigismund Ruestig das hemmungslose Posten und Kommentieren in den digitalen Medien - wie derzeit speziell bei Flüchtlingsthemen anschaulich in vielen Communities dokumentiert - aufs Korn genommen:

http://youtu.be/sBom50KrkBk

Viel Spaß beim Anhören.

Rock-Blogger und Blog-Rocker Sigismund Rüstig posted auf multimediale Weise Meinungen und Kommentare zu aktuellen Reiz-Themen in Form von Texten und Liedern. Nicht alle Medien verstehen dieses Format!

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"Tastatur-Revoluzzer" .

Dass sind im Zweifel nahezu alle (die kritiklosen Jasager ausgenommen) , die hier schreiben. Zum Glück tummeln sich in diesem Forum keine Chaoten, wohl aber Kohorten, die gläubig alles für wahr nehmen, was "von oben kommt". Das ist auch kein Verbrechen. Aber wie viele sind es denn? Von den ca. 22 Mio ev. Christen gerade mal so 10 -30, mit stark wechselnder Beteiligung. Prozentual wie viel? Die großen Parteien haben noch ca. 450Tsd Mitglieder. Wegen mangelnder Beteiligung wurden deren Meinungsportale eingestellt. Auch nur noch wenige Tageszeitungen haben ein Meinungsportal. Die Beiträge dort kann man vergessen.

Mit dem Zitat von H. Ruestig wird die falsche Adresse beschossen. Anders sieht es in den üblen sogenannten sozialen Netzwerken aus. Mit diesem Zitat Twitter und Facebook mit Chrismon auf die gleiche Stufe zu stellen, ist falsch.

Nur selten wird in diesem Forum explizit auf die katholische Kirche Bezug genommen. Die ev. Kirche hat hier wesentlich mehr zu leiden. Wenn aber Glaubensinhalte diskutiert werden, die nicht nur, aber auch, Katholiken betreffen, ist das keine herabwürdigende Angelegenheit. Chrismon ist zwar nicht die EKD, aber gibt es denn ein vergleichbares „katholisches“ Portal, in dem von Jedermann explizit katholische Glaubeninhalte diskutiert werden können? Wenn ja, was wird denn dort über die ev. Kirche gesagt?

Und dann gab es ja noch die 13 Bischöfe, die im Herbst vor der letzten Versammlung, in einem öffentlichen Brief den Pabst, mit dem Hinweis auf die „Zustände in der ev. Kirche“, vor den Gefahren einer Relativierung von Glaubeninhalten gewarnt haben. Zwar hatten die 13 mit der Warnung Recht, aber eine Einmischung war es trotzdem.

Für den Glauben gilt, entweder ganz zurück zu den Wurzeln, oder täglich den Realitäten anpassen. In beiden Fällen wir sehr schnell die Schmerzgrenze erreicht. Unterhalb der Schmerzgrenze droht die Bedeutungslosigkeit.