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Ich bin ja eher gleich. Ich gehöre einem der geburtenstärksten Jahrgänge an sowie dem weiblichen Geschlecht, also 51 Prozent der Bevölkerung. Und ich trage die gleiche schwarze Brille wie der Chefredakteur der „Welt“ und die Chefin der „Bild am Sonntag“ und fast alle Was-mit-Medien-Macher. Ich bin schon deswegen lieber gleich, weil neuerdings alle ganz anders sein wollen.
Neulich im Kino. Der erste Werbespot von Mazda, „leidenschaftlich anders“, der zweite von Opel. Das Auto sieht auffallend ähnlich aus, ist aber, sagt die Stimme aus dem Off, „ganz anders“. Der dritte Kinospot kommt von der Bundeswehr, die Nachwuchs sucht mit dem Slogan: „Aktiv. Attraktiv. Anders.“ Ich sinke tief in meinen Kinosessel und rätsele: Macht Mazda jetzt Autos mit drei Rädern? Kämpft die Bundeswehr mit Wasserpistolen? Umparken im Feld? Hilfe, wenn jetzt alle immmerzu anders sind – dann anders als was? Irgendwas muss gleich bleiben, damit die anderen ganz anders sein können.
„Ganz anders“ wird auch in Kirchenkreisen gern genommen. Da wird das „ganz andere Evangelium“ angepriesen, das „ganz andere Eheseminar“ und „das ganz andere Pfarrfest“. Aber keine Angst. Im ganz anderen Eheseminar werden nicht etwa wilde Beischlaftechniken geübt oder die lesbische Partnerschaft angepriesen. Auf dem Programm stehen so ganz andere Dinge wie „Humor“ und „Weisheit“. Und beim „ganz anderen Pfarrfest“ gibt es, hui, ein Spielparadies und einen Kuchenwettbewerb. Das fand ich als Mutter immer schon grässlich, aber wahr- scheinlich bin ich einfach zu gleich fürs ganz andere Pfarrfest.
Die kleine Schwester des ganz anderen ist das etwas andere. Wir treffen es gerne in der kleinen Frauenwelt, das etwas andere Brautkleid, das etwas andere Nähbuch und die etwas andere Hochzeitseinladung. Dahinter verbirgt sich Tüddel-Weiberkram, ein Puzzle oder eine Stickerei als Einladung fürs Fest. Um das originell zu finden, muss man vermutlich das ganz andere Eheseminar belegt haben oder Opel fahren. Ich weiß schon, warum ich lieber gleich bin.
Dank an Frau Ott
Hallo, Frau Ott!
Jetzt muss ich doch mich einmal bedanken für Ihre überaus kreative und glückspendende Kolumne. Ich schreibe selbst für unser gemeindeübergreifendes Kirchenblatt 'Impuls' die Glosse und weiß daher, wie man manchmal verzweifelt um Worte ringt, die später so flott daher gesprochen wirken sollen. Ihnen gelingt diese Aufgabe immer wieder neu! Mein Respekt! Ich lese diesen Beitrag gerne zuerst: So wie ich das Sahnehäubchen auf meinem Eiskaffee zuerst auslöffle! Mit herzlichem Gruß!
Julia Cord
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