Ist Aberglaube schlimm? Die Theologin Susanne Breit-Keßler antwortet auf Fragen, die uns bewegen
11.07.2011

Die Märchen von Hauff mag ich gern: „Kalif Storch“, „Der kleine Muck“... Aber die erste Strophe von „Reiters Morgenlied“ hat mir als Kind Angst gemacht. „Morgenrot, Morgenrot, leuchtest mir zum frühen Tod?“ – noch heute muss ich diese Zeile verscheuchen, sobald das Tagesgrauen rötlich ist. Es gibt noch mehr solchen Aberglauben. Meine Mutter pflegte in den sogenannten Raunächten zwischen 25. Dezember und Epiphaniastag nicht zu waschen, weil sonst jemand im neuen Jahr sterben könnte. Ich habe als junge Frau lange gebraucht, bis ich mich getraut habe, der dubiosen Drohung zuwiderzuhandeln.

Am Freitag, dem 13., wiederum fahre ich sorglos Rad und Auto. Denen, die sich fürchten, halte ich entgegen, dass es an diesem Tag statistisch nicht mehr Unfälle gibt – und wenn, dann nur weil manche Leute so ängstlich sind. Wer wie ich schon mal in Griechenland war, hat auch nichts gegen schwarze Katzen, die von links kommen, denn das tun die da dauernd, ohne dass was passiert. Ich habe allerdings schon überlegt, ob ich einer Bekannten die Kastanie ausreden soll, die sie in der Manteltasche mit sich führt, um kein Rheuma zu kriegen. Aber ich lasse es: Diese Art von Aberglauben ist harmlos – solange sie sich auch warm anzieht.

Lässige Toleranz gegenüber allzu menschlichem Aberglaube?

Unsere Welt ist so sehr von Ökonomie und Technik bestimmt. Kein Wunder, dass der Wunsch nach neuer Naturverbundenheit und Symbolik wächst – dann schneidet man halt Haare bei zunehmendem Mond. Und ich gebe offen zu, dass ich nach Anraten einer Freundin bei meiner Hochzeit etwas Neues, etwas Geliehenes und etwas Blaues getragen habe. Ich habe das einfach als Zeichen für den fulminanten Start in ein gemeinsames Leben, für freundliche Begleitung durch andere und Treue ausgedeutet. Was soll ich sagen – wir sind immer noch glücklich!

Schon in der  Bibel haben manche Dinge eine Vorbedeutung – die ungute linke Seite etwa, auf die Gott beim Weltgericht die schlechten Menschen stellt. Selbst Luther soll öfter mit dem nackten Allerwertesten im Bett gelegen sein, um so den Teufel zu vertreiben. Also lässige Toleranz gegenüber allzu menschlichem Aberglauben? Ja, wenn man darüber lächeln kann und souverän über den kleinen Verzauberungen des Alltags steht. Aberglaube ist dann schädlich, wenn er falsche Hoffnungen weckt oder Angst macht, in die Enge, statt in die Weite führt.

Wann Aberglaube gefährlich ist

Heute weiß ich: Wenn in einem Jahr jemand stirbt, dann gehört das zum Leben. Dieses Leben und sein Ende verwalte nicht ich mit meiner großen Wäsche, das tut auch keine rote Morgensonne, sondern es ist in Gottes Hand gelegt. Diese Einsicht lässt mich aufatmen. Aberglaube ist schädlich, wenn er falsche Sicherheit vermittelt und ein Mensch etwa mit magischen Tricks versucht, vergangene Liebe wieder zum Leben zu erwecken. Da ist es sinnvoller, den Verlust zu verarbeiten, um neu beginnen zu können. Aberglaube ist gefährlich, wenn er verunsichert – und so dafür sorgt, dass man angesichts eines zerbrochenen Spiegels jahrelang nicht zur Ruhe kommt.

Ganz unerträglich ist Aberglaube, wenn er andere ins Visier nimmt: weil sie aufgrund einer bestimmten Haarfarbe angeblich untreu sind, wegen ihres vermeintlich „bösen“ Blicks oder ihrer besonderen Fähigkeiten, die sie als Bedrohung erscheinen lassen. Im Neuen Testament heißt es: „Der Herr ist der Geist; wo aber der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit.“ So einen freiheitlich-geistvollen Umgang mit der Welt braucht es, um ohne Panik leben zu können. Da kann man ruhig eine Kastanie in der Tasche mit sich herumtragen. Soll gegen Rheuma helfen.

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Natürlich ist der Aberglaube nicht die Energie wert, die man an ihn verschwendet. Was aber ist mit der Meinung, Gott würde auf massiven Gebetsdruck hin die Naturgesetze außer Kraft setzen, nur um die zugegebenermaßen ziemlich eigennützigen Wünsche eines Menschen zu erfüllen? Ist das Glaube oder auch nur magische Hoffnung? (Daraus folgt gleich die Frage: Worum und wie beten?) Mit freundlichen Grüßen H. Golbach Maximilian-Kaller-Str. 55 12279 Berlin
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Heinz Golbach (nicht überprüft) schrieb am 3. August 2011 um 9:36: "Natürlich ist der Aberglaube nicht die Energie wert, die man an ihn verschwendet." ----------------------- Richtig. Gleiches gilt allerdings auch für den Glauben. Die Unterscheidung zwischen Aberglaube und Glaube ist nur der untaugliche Versuch, den eigenen Glauben vor Kritik zu schützen. "Ganz unerträglich" ist laut vorliegendem Artikel der Glaube an den "bösen Blick". Wer also glaubt, Opa sei verstorben, weil die Nachbarin die Gabe des bösen Blickes habe, macht sich des Vergehens des Aberglaubens schuldig. Wer aber felsenfest glaubt, Opas Tod läge in Gottes Hand, darf sich seines seriösen Glaubens rühmen. ----------------------- Zur Erkenntnis, dass es sich in beiden Fällen um denselben gefährlichen Unsinn handelt, wollen sich weder der Gläubige noch der Abergläubige aufraffen.
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Sie fragen am Ende Ihres Artikels, ob man sich durch Aberglauben oder magisches Denken verunsichern lassen sollte. Dazu möchte ich Ihnen in Form eines Leserbriefes so knapp wie möglich die Geschichte meiner eigenen Verunsicherung durch Magie erzählen.

In einem christlichen und liebevollen Elternhaus aufgewachsen, blieb ich immer Zweiflerin am (Gottes-)glauben, je älter ich wurde, um so weniger glaubte ich an Gottes Existenz. Über 40 geworden, geriet ich an eine heidnische Glaubensgemeinschaft von Wicca (neuheidnischen Hexen) und begann zu praktizieren – Meditation, Rituale, und, und, und. An die große Göttin glaubte ich zwar ebenso wenig wie an Gott oder Jesus als Gottes Sohn, den bunten Mix von Geschichtsklitterung und Halbwissen über das Christentum im Wicca belächelte ich innerlich---  aber ich schien mein Leben, eine chronische Krankheit, eine scheinbar gescheiterte Ehe auf einmal viel weniger hilflos zu bewältigen und  neue Konzepte zu entwickeln. Obendrein verdiente ich eine zeitlang sehr gutes Geld als Kartenlegerin, dies weniger, weil ich so „hellsichtig“ wäre, sondern empathisch und durch frühere ehrenamtliche Tätigkeiten  kommunikativ begabt.Heute, 7 Jahre später, liegt mein Leben in Trümmern. Eine lebenslange, chronische Krankheit ist am schlimmsten Punkt ihrer Entwicklung angekommen. Meine Ehe zu einem anständigen und großherzigen Mann habe ich zu Gunsten eines absolut unpassenden und mir völlig fremden Menschen aufgegeben.    Meine beruflichen Pläne habe ich nicht umgesetzt, ich bin auf ganzer Linie gescheitert,  ohne dass irgendjemand etwas dazu beigetragen hätte. Ich  selbst habe durch die Anwendung eines unsinnigen Aberglaubens, dass ich nämlich durch magische Rituale Dinge des Lebens „übersinnlich“ beeinflussen könnte, mein Leben zumindest phasenweise ruiniert.

Seit ca. 2 Jahren bin ich „fertig“ mit Magie, Aberglauben und Wicca. Trotz profunder geisteswissenschaftlicher Ausbildung und viel Verstand bin ich aber davor diesen Irrweg eine Zeitlang gegangen. Seit ca. 2 Monaten bete ich zum ersten Mal seit meiner Kindheit wieder --- und erstaunlicherweise scheine ich jetzt Antwort zu bekommen. Seit ich die Verzweiflung über die verpfuschten letzten Jahre  im Gebet reflektiere, lichtet sich mein Leben wieder, es kommt so etwas wie Kraft und Verstand  in mein Handeln zurück, heißt, ich fange auf ganzer Linie noch einmal von vorne an. So platt sich das für einen kritischen Zweifler auch anhören mag: festgefahrene Dinge lockern sich auf einmal, ich werde ruhiger, ohne „euphorisch“ zu sein und krabble langsam aus dem selbst geschaffenen Müllberg hervor. Obwohl ich am Ende einer Existenz und am Rande der Armut und tief in der Krankheit stecke, fühle ich mich sicher und gewinne neuen Mut. Mit über 50 Jahren eine sehr interessante Erfahrung.

Ich würde daher auf Grund meiner Lebenserfahrung jedem raten, nicht an Magie oder Aberglauben festzuhalten, sondern wissenschaftliche Erkenntnisse und eigenverantwortliches Handeln zum Maß der Dinge zu machen.

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Danke für Ihren o.g. Artikel, jedoch: Ich bin 81 Jahre und mit zehn Geschwistern auf einem Bauernhof in den Waldkarpaten aufgewachsen.Wir sind mit den Waldgeistern, den guten und den bösen, sehr gut ausgekommen, weil wir wirklich an sie nicht geglaubt haben. 
Anders mit den Kastanien in der Tasche. Wer diese in der Tasche hat, der spielt damit zwangsläufig und trainiert somit seine Hand -und Fingergelenke. 
Ich habe mich an die Kastanien erinnert, als ich im fortgeschrittenen Alter Arthritis in den Fingergelenken bekam. Da mir die Kastanien in den Händen nicht so angenehm waren, habe ich mir für etwa 2 bis 3 € polierte Schmucksteine besorgt (sogn. 
"Handschmeichler"), mit denen ich beim Fernsehen oder aus Langeweile gespielt habe. Nach einiger Zeit hat sich meine Arthritis wesentlich gebessert und nach einigen Wochen hatte ich absolut keine Beschwerden mehr. Diese "Therapie " kann ich nach meiner Erfahrung nur wärmstens weiterempfehlen.
Kastanien in der Tasche doch keine Mär?

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"Was aber ist mit der Meinung, Gott würde auf massiven Gebetsdruck hin die Naturgesetze außer Kraft setzen, nur um die zugegebenermaßen ziemlich eigennützigen Wünsche eines Menschen zu erfüllen? Ist das Glaube oder auch nur magische Hoffnung? .." Sehr geehrter Herr Golbach!Ich glaube an Jesus Christus , verbunden mit dem lebendigen Gott der Bibel . Für mich heisst Glaube: persönliche Beziehung durch Jesus zu Gott zB indem ich seinem Wort vertraue, vertraue dass er mein guter Vater ist ..und vieles mehr( siehe Wesen Gottes in der Bibel) dass jeder Mensch sein einzigartiges Geschöpf ist und ein Abbild von Gott.. dass Gott das letzte autonome Wort und autorität hat , der macht was er will und von keinem
Menschen " manipuliert" werden kann( dann wäre er nicht Gott).. ich kann ihn bitten und weiss aus Erfahrung( bin davon innnen überzeugt!)dass er es hört und darauf antwortet, wie es aus seiner unbegrenzten Sicht für mich am besten ist: manchmal genau umgekeht zu mir( eigentlich wie ein weiser trotzdem gerechter liebevoller Vater der das Beste für mich will(siehe Vaterunser: Dein!! Wille geschehe..) er segnet uns auf unsrem Weg mit ihm für seine Pläne: Nächstenliebe..seine Liebe Vergebung Frieden .. weiterleben geben.. und dankbar sein können wie ein
Kind : geborgen frei spontan kreativ. befreit ganz zu werden zum Dienst für andere( zB ganz einfache Dienst:Lächeln..)
So gesehen ist für mich seit 63 Jahren der Glaube wie ein Abenteuer, in dem ich täglichweiter lerne..
obwohl ich und meine Frau genauso unsre Täler erleben wie jeder andre und überhaupt nicht besser sind.. aber unser Her ist wunderbar! Herzlich eingeladen:)! Frank Schulz