Dirk von Nayhauß
Engel mit Propeller
Manchmal beneidet die Schauspielerin Maria Schrader ihre Tochter um deren Gottesbild
Dirk von Nayhauß
Dirk von Nayhauß
18.11.2013

In welchen Momenten fühlen Sie sich lebendig?
Ich fühle mich meistens lebendig. Ich führe ein Leben, das sich oft verändert, vielleicht nicht in den elementarsten Dingen, aber eine dumpfe Routine kenne ich nicht. Dann kommt von Berufs wegen oft ein hoher Adrenalinspiegel dazu: beim Proben, vor den Vorstellungen – und mit Herzrasen fühlt man sich immer lebendig. Das ist aber nicht unbedingt angenehm. Selbst das Herzklopfen in der Liebe kann einen quälen. Ich träume manchmal von einem autonomeren Leben, zum Beispiel als Schriftstellerin. Ich stelle mir gerne die Dinge, die ich vorhabe, ausführlich vor: wie ich ein bestimmtes Gespräch führen könnte, wie ich eine Szene spielen möchte, ich probe im Kopf. Das geht oft bessser als in Wirklichkeit, schwereloser, beweglicher.

Haben Sie eine Vorstellung von Gott?
Meine Tochter hatte mit vier Jahren eine so konkrete Vorstellung von Gott, dass ich sie auch nicht mehr vergessen habe. Sie hatte eine sehr christliche Phase, vielleicht weil ich ihr Geschichten aus der Bibel vorgelesen habe, und bestand darauf, getauft zu werden. Jedenfalls hat sie mir eines Tages mit heili­gem Ernst erklärt, wie das im Himmel funktioniert: Gott und die Engel seien alle in flauschige Hemden aus weißer Wolle gekleidet, damit sie sich in den Wolken verstecken könnten und wir Menschen sie nicht sehen. Alle Engel seien Frauen oder Mädchen, weil „Gott die Frauen liebt“. Sie würden wie die Vögel fliegen, aber außerdem hätten alle einen Extrapropeller auf dem Rücken, damit sie besonders schnell den Flugzeugen ausweichen könnten. Ich mochte die Kombination von Trans­zendenz und technischen Hilfsmitteln. Ich wäre auch gern jemand, der darin nicht unbedingt einen Widerspruch sieht. Vernunft und Zweifel können einen ganz schön bremsen.

Hat das Leben einen Sinn?
Nein. Zum jetzigen Zeitpunkt glaube ich nicht, dass das Leben als solches – die pure Existenz – ein Ziel oder einen übergeordneten höheren Sinn hat. Das macht aber nichts, im Gegenteil. Ich lebe sehr gern. Und wenn man schon mal mittendrin steckt im Leben, kann man seine Kraft natürlich sehr unterschiedlich benutzen. Wir alle beeinflussen das Dasein von anderen auf angenehme oder unangenehme Weise, und die erste Möglichkeit halte ich für die durchaus sinnvollere. Ich bemühe mich, den Menschen um mich herum anständig und freundlich zu begegnen. Ich möchte ein verlässliches Gegenüber sein und mich ihnen nicht haltlos und von Launen gepeitscht zumuten. Trotzdem passiert es.

Muss man den Tod fürchten?
Wahrscheinlich nicht. Was alle vor uns geschafft haben, wird uns schließlich auch gelingen, auf die eine oder andere Art. Es wäre ein Alptraum, das vorher zu wissen. Aber trotzdem vergeht kaum ein Tag, an dem ich nicht an den Tod denke, gar nicht so bewusst, eher automatisch. Es gibt ja Menschen, die in Ruhe und Einklang mit diesem Gedanken leben, mir gelingt das nur selten. Der Tod eint uns, weil er uns alle zu Unterlegenen macht. Aber wenn wir unsterbliche, unverwundbare Wesen wären, gäbe es wahrscheinlich auch kein Mitgefühl, keine Götter, keine Sehnsucht nach ­Erkenntnis und Veränderung. Was für eine Zivilisation gäbe es dann? Gäbe es Kunst?

Welchen Traum möchten Sie sich noch unbedingt erfüllen?
Es gibt sehr vieles, was ich noch tun und versuchen möchte, was ich weiterführen oder einfach noch weiter erleben möchte. Ich würde gerne noch lange da sein. Oder sagen wir mal: So lange, wie es mir gefällt. Ich würde gerne das 2. Klavierkonzert von Rachmaninov spielen können. Das ist sehr monumentale Musik und auch ein monumentaler Traum, ein bisschen albern. Aber dieses Konzert gehört zu den Musikstücken, die mich schon fast mein ganzes Leben begleiten. Bis ich 14 war, wollte ich Pianistin werden. Und ich stelle es mir unglaublich vor, mit einem ganzen Orchester zu spielen. ­Es wird wohl ein Traum bleiben. Wie der vom Fliegen.

In dem Film „Schwestern“ findet Ihre Schwester eine Heimat im Kloster. Wo ist Ihre eigene Heimat?
Bei anderen Menschen kann ich eine Heimat finden, eine private, eine künstlerische, einen gemeinsamen Blick auf die Dinge.

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Die Frage nach dem Sinn des Lebens ist immer wieder spannend.
Im Buddhismus ist die Sache klar: Raus aus dem "Hamsterrad", dem Samsara. Frei sein.
Ich bin in meiner Mitte. Von da aus öffne ich mich... so beginnt ein altes Gebet.
Verbunden sein mit allem. Ein Sinn, dessen Erreichen schon ein paar Leben dauern kann. Das ist ja auch die Freude am Sein, am miteinander, am Schöpferischen.
Das ist auch Heimat. Dito

anke