Arne Bellstorf
Hilfe!
Da wird jemand bedroht, da passiert gleich was. Da wollen Sie nicht reingezogen werden. Aber helfen wollen Sie doch. Bloß wie? Ein Ex-Kriminalhauptkommissar weiß, was man tun kann – gegen starke Gegner und gegen die eigene Angst
Tim Wegner
12.08.2013

Chrismon: Man sitzt gedankenversunken in der U-Bahn, plötzlich wird es laut – eine Gruppe Jugendlicher ist zugestiegen. Aggressive Atmosphäre. Einer geht durch den Gang, sagt herrisch: „Hat hier jemand Feuer?“ Alle gucken nach unten oder zur Seite . . .

Ralf Bongartz: Damit haben sie schon verloren. Denn wenn jemand so aggressiv in die Bahn einsteigt, ist das das Angebot eines Machtkampfes. Damit testen die Täter, ob es im Waggon Gegenwind geben würde, wenn sie „weitergehen“. So wie in dem realen Fall, den ich im Buch schildere. Die Fahrgäste blieben lammfromm, die Gang umringte dann einen 15-Jährigen, der auf seinem iPhone herumfingerte und überhaupt keine Antenne für seine Umgebung hatte. Sie gaben ihm leichte Schläge auf den Kopf, um zu gucken, wie er reagiert. Wäre er sofort brüllend aufgesprungen und weggelaufen, wäre das vorbei gewesen. Er blieb aber verdutzt sitzen. Die Gang brach ihm die Nase und raubte ihm das iPhone.

Hätte jemand eingegriffen, wenn mehr Leute in der Bahn gewesen wären?

Nein. Je mehr Leute da sind, umso schwächer ist die eigene Entschlossenheit. Denn dann versuche ich, meine Verantwortung zu teilen: „Es sind fünf Leute in der Bahn. Der da vorn ist näher dran, und wenn der nichts tut, muss ich auch nicht handeln.“ Man weiß aus vielen Untersuchungen: Ist nur ein Zeuge da, wird er zu 80 Prozent Wahrscheinlichkeit dem Opfer helfen; sind es zwei Zeugen, liegt die Bereitschaft nur noch bei 50 Prozent; bei 38 Leuten fühlt sich niemand mehr persönlich verantwortlich. Ergebnis: Handlungsunfähigkeit.

###mehr-extern###Warum hat niemand geholfen? Wollten die Leute nicht?

Die meisten Leute wollen, wenn man sie hier am Tisch fragen würde, natürlich ­helfen. Aber in der echten Situation sind sie blockiert von ihrer Angst. Erst wenn Menschen sich diesen Blockademechanismus bewusst machen, handeln sie anders.

Also spulen wir die Szene noch mal zurück auf Anfang. Die jungen Männer gehen herrisch durch den Wagen: „Ey, hast du Feuer?“ Ich will sofort reagieren – aber wie?

Ich mache mich nicht klein und verschwinde in meiner Zeitung, sondern ich bleibe groß und halte den Blick in der Horizontalen. Ich zeige damit: Ich bin da, und ich kann damit umgehen, wenn hier was passiert – auch wenn das eine Lüge ist. Wenn der jetzt in meine Nähe kommt und sagt: „Hast du Feuer?“, sag ich ganz neutral: „Ich hab kein Feuer“, schaue ihn kurz an, gucke dann auf der gleichen Ebene nach rechts weg und lass ihn links liegen. Das ist keine Provokation, aber der merkt: Oh, das wird hier nicht ganz einfach. Und die entscheiden tatsächlich danach, ob sie glauben, dass es einfach wird. Die sind trainiert, Körpersignale wahrzunehmen. 

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Warum können sie Körpersignale so gut lesen? 

Weil die in Gewalt groß geworden sind. Die sind fünf Jahre alt, der Vater kommt besoffen nach Hause, da müssen die die feinsten Signale wahrnehmen: Wie ist der drauf? Schlägt er die Mutter? Wie muss ich gehen, dass der nicht ausrastet? Was muss ich tun, damit der nicht in mein ­Zimmer kommt?

Wenn drei Leute zeigen, dass sie hellwach sind, hätte das einen Effekt?

Ja, denn bei einem Raubüberfall wollen die Täter keine Zeugen. Deshalb findet der typische Raubüberfall eigentlich eher nicht in der Bahn statt, sondern in der Fußgängerzone, und zwar Freitag- oder Samstagnacht. Das ist der Typ „strategische Gewalt“ – da ist ein iPhone, das will ich haben. Schlimmer ist die Variante „Provokationsgewalt“ – ich will jemanden verletzen, damit ich mich besser fühle.
Für das Provozieren wird gern die Öffentlichkeit gesucht.

Provokationsgewalt wäre auch, wenn ein Mensch rassistisch angemacht wird – „Hej, der Sitz wird dreckig, steh auf!“
Was kann ich da tun?

Hingehen und mit neutraler, also nicht provozierender Stimme, sagen: „Entschuldigung, wir sitzen da drüben mit der Familie und kriegen mit, dass Sie sich streiten. Können wir Ihnen irgendwie helfen?“ Oder sich danebensetzen. Oder anbieten, dass der Angegriffene sich zu Ihnen setzt.

Was ist das Mindeste, was ich tun könnte, wenn ich sehe, wie jemandem übel zugesetzt wird?

Wenigstens genau hingucken, damit Sie danach als Zeuge zur Verfügung stehen. Auch Hingucken verändert die Situation. Danach Opfersorge machen. Da laufen ja immer noch viele weg, weil sie sich schämen, dass sie nichts unternommen haben.

Die Polizei rufen?

In der Bahn den Notruf drücken. Und auf dem Handy, wenn Sie Empfang haben, 110 wählen. Wenn die Situation sehr gefährlich ist, das Handy auf Bauchhöhe lassen, damit die Täter das Telefonat nicht mitbekommen. Dann sagen Sie, wo Sie sind und was gerade passiert.

Schickt die Polizei dann gleich jemanden?

Kommt drauf an. Die Leitstelle in Köln zum Beispiel bekommt pro Tag 1400 Anrufe. Die haben aber nicht 1400 Streifenwagen, also müssen die Kollegen auf der Leitstelle unterscheiden. Wenn Sie jetzt aus der U-Bahn anrufen und sagen: Da streiten sich drei Leute, einer schreit rum und ist wahrscheinlich besoffen . . . Da hat die Kollegin schon abgeschaltet. Sie in­formiert die Bahnpolizei, und die steigt dann am Hauptbahnhof zu, also drei
Stationen später.

Mit dem Handy den Täter filmen?

Ist das nicht zu spät?

Bei massiver Gewalt könnte das zu spät sein. Wenn Sie sagen: „Einer hat ein Messer. Der Junge hat gerade geschrien ‚Ich werde abgezogen‘. Hier sagt keiner was im Waggon, alle haben Angst“ – dann ist innerhalb von zwei, drei Minuten ein Streifenwagen an der nächsten Haltestelle. Denn das ist ein gemeinschaftlicher Raubüberfall. Das heißt, ich muss das, wenn das so ist, auch drastisch schildern. Aber nicht lügen!

Soll ich mit dem Handy die Täter filmen?

Wenn Sie ein taktisches Team im Rücken haben: ja. In Köln hat ein Zeuge zwei Leute zusammengerufen, andere haben sich dazugestellt. Am Ende richteten zehn Leute ihre Handys auf den Bahnsteig gegenüber, wo gerade zwei Männer einen Raubüberfall verübten, und riefen: „Guckt mal eben her, könnt Ihr ein bisschen lächeln?“ Die Täter flüchteten.

Was ist ein „taktisches Team“?

Ich suche mir ein, zwei Leute zur Verstärkung. Zum Beispiel jemanden, der sich auch schon zweimal umgedreht und geguckt hat. Ich sage: „Guten Tag. Der Junge da wird ungerecht behandelt. Lassen Sie uns zusammen hingehen.“ Und dann geht man auch schon los. Wenn eine Frau einen Mann um Hilfe bittet – „Ich kann das nicht alleine machen, bitte kommen Sie mit“ –, da können die fast nicht Nein sagen.

Und wenn niemand mitkommen will, weil das zu gefährlich erscheint?

Wenn der sagt: „Vier Täter, na toll“, können Sie zumindest eine „laute Horde“ bilden. In der Bahn könnten Sie sagen: „Lassen Sie uns aufstehen und rufen. Nur aufstehen, wir können nicht sitzenbleiben.“

Was rufen wir dann?

„Lasst den Jungen in Ruhe! Nein, das geht nicht, lasst den Jungen in Ruhe!“ Dann kommen schon zwei, drei mit hoch: „Das stimmt, hört auf!“ Das ist wie eine Welle, die durch den Wagen geht. Alles ist gut, was die Täter stört, was es für sie ungemütlich macht: dableiben, Team bilden, Unmut kundtun, laut sein. Es braucht nicht immer große Heldentaten.

Sie empfehlen auch die Methode Verrücktspielen.

Ja. Was sagen, was gar nicht zum Thema gehört – Erfundenes oder was einem gerade durch den Kopf geht. Das ist was für Spieler.

Also in die Situation reingehen und los­labern: Hallo? Ich hab gerade wirklich ein anderes Problem. Diese Marienkäfer machen mich ganz irre. Sind die jetzt rot und haben schwarze Punkte, oder sind die schwarz und haben rote Punkte? Und dann, haben Sie das gesehen, gibt es auch noch schwarze mit gelben Punkten. Die spinnen total. Blicken Sie da noch durch?

Das ist super. Weil das Verwirrung stiftet. Das kann man auch machen, wenn man selbst bedroht wird. Angenommen, da sucht einer einen Anlass zum Zuschlagen: „Was hast denn du für scheiß Haare!“ Sag ich: „Scheiße ja, du hast recht, ich seh wirklich schlimm aus. Auf der Arbeit
sagen die mir das auch. Mein Chef hat heute Morgen gesagt, wenn du weiter so zur Arbeit kommst, verlierst du deinen Job. Ich will meinen Job behalten! Aber meine Freundin will, dass ich mir die Haare lang wachsen lass. Was würdest du denn machen?“ Da geht der Täter, denn mit einem Psycho will er nichts zu tun haben. „Ey, bist du doof im Kopf?“ – „Ja“, sag ich dann. Wie gesagt: für Spieler.

Der Manager Dominik Brunner hat 2009 in einer S-Bahn Kinder vor einer Gang geschützt, er zahlte dafür mit dem Leben. Was hat er falsch gemacht?

Zuerst muss man sagen, wie viel er richtig gemacht hat. Der hat 97 Prozent richtig gemacht! Er hat die Polizei angerufen; er hat sich vor die Kinder gestellt und ist unglaublich lange beharrlich geblieben. Was das für ein Stress ist, muss man sich mal vorstellen: eine minutenlange S-Bahn-Fahrt, ständig Kontakt zu den Tätern, ständig die Kinder schützen, dann aussteigen und noch mal die Kinder schützen, das ist Adrenalin bis unter die Haar­spitzen.

Und die drei Prozent, die er falsch machte?

Richtig war, die Opfer zu schützen und nicht gegen die Täter zu gehen. Aber als alles vorbei war, als die zwei Täter aufgegeben haben und flüchten wollten, hat er sich ihnen an der S-Bahn-Station in den Weg gestellt.

Wie, ich muss die Täter ziehen lassen?

Ich muss sogar darauf achten, dass ihre Flucht möglich ist. Ich darf die Täter nicht in die Knie zwingen wollen. Denn sonst greifen sie mich an, und da kennen die kein Pardon.

Wir haben über Helfer geredet – lassen Sie uns über die Opferseite reden. Jugendliche werden überproportional häufig Opfer von Raub und Körperverletzung. Wie können sich Jugendliche schützen?

Das Erste ist, dass die einen Gefahrenradar entwickeln: Wenn ich in der Bahn sitze und höre, da passiert irgendwas, dann bin ich wach und packe das Handy weg. Das Zweite: Wenn ich merke, da kommt irgendwas, dann gehe ich sofort zwei Bänke weiter, setze mich zu Erwachsenen und spreche die an.

Wie sich Teenager Hilfe holen können

Was soll ich da sagen, als 15-Jähriger?

„Da hinten kommen zwei rein, ich hab Schiss, kann ich hier sitzen bleiben?“ Die Erwachsenen werden sagen: „Die sollen ruhig kommen!“

Ein junger Kollege von mir ging spät abends von der Redaktion zur S-Bahn, dachte noch: Da vorne sind zwei komische Typen, aber ich hab ja nur noch 300 Meter zur Bahn – da kamen die schon zielgerade auf ihn zu, Pistole an die Brust, Geldbeutel abgenommen.

Er hätte seinem Bauchgefühl trauen sollen. Sofort abhauen. Oder Straßenseite wechseln. Oder sich das Handy ans Ohr halten und laut und aggressiv „telefonieren“: „Neee! Das ist doch SCHEISSE. Auf keinen Fall! Der bringt den Kasten heute Abend mit. Das ist mir wurscht! Sag dem das!“ Von so jemandem nehmen Täter Abstand.

Also „dreckig“ spielen?

Genau. Rumspucken, laut fluchen, breitbeinig gehen. Was macht ein kleines Kind, wenn es durch den Wald geht und Angst hat? Es pfeift ganz laut, es guckt geradeaus, es macht sich groß und aufrecht und tut so, als hätte es keine Angst. Das Prinzip kennen wir eigentlich.

Wie Mädchen auf Anmache reagieren können

Wie machen Sie selbst sich unangreifbar?

Mir liegt das aggressive Telefonieren. Und wenn ich nachts durch die Fußgänger­zone gehe und sehe in 200 Metern ein paar Typen, die quer rüberkommen, verändere ich sofort meinen Gang: Ich geh nicht mehr locker, sondern starre einen Punkt am Horizont an und gehe zielgerichtet darauf los. Man hat sofort eine andere Körperspannung, man sieht trainiert aus. Das reicht. Man hat Täter gefragt, worauf die gucken. Die gucken auf die Körper­spannung – also ob jemand aggressiv sein kann oder nicht.

Der Kollege übrigens rennt seit dem Überfall blitzschnell weg, sobald er das Gefühl hat, hier stimmt was nicht – auch wenn er mit Freunden unterwegs ist, auch wenn ihn alle für bekloppt halten.

Super!

Ich muss nun aber nicht überall Gefahren wittern?

Nein, das wäre paranoid. Die Zahl der Gewalttaten sinkt seit einigen Jahren. Aber auch die 48 000 Menschen, die im vergangenen Jahr Opfer eines Raubs geworden sind, oder die 136 000, die Opfer einer gefährlichen oder schweren Körperver­letzung wurden, sind zu viele.

Sie üben auch mit Schülerinnen, was die tun können, wenn sie, etwa in der Bahn, von einem Mann belästigt werden.

Wir spielen das durch. Ich glotz das Mädchen an, sieben Sekunden lang, das ist die Eröffnungsphase. Das Mädchen schaut weg, macht sich klein. Da weiß der Mann schon: Da ist alles möglich. Dann sagt er: „Ey, hast du heut Abend schon was vor?“ Das Mädchen krümmt sich vor Verlegenheit: „Nein, hihi.“

Was üben die Mädchen stattdessen?

Sie üben, groß zu bleiben. Ich sage: Denk an jemand, der Power hat; denk an jemand, der dich aggressiv macht. Denn du weißt, gleich brauchst du diese Bereitschaft. Dann sagst du ohne Lächeln: „Lassen Sie mich in Ruhe!“, stehst auf und gehst ruhig und aufrecht weg – nicht fliehen, sonst ist das wie Löwe und Gazelle.

Wehren die sich denn gar nicht?

Doch, ein Mädchen sagte im Rollenspiel: „Geh Porno, du Schwuchtel, verpiss dich, du Wichser!“ Sie beleidigte den Mann – und blieb sitzen. In echt hätte der Mann sie vermutlich geschlagen, um sein Gesicht zu wahren. Also: „Lassen Sie mich in Ruhe“ und sofort gehen.

Sie beschäftigen sich seit 30 Jahren intensiv mit Gewaltprävention – woher diese Leidenschaft?

Ich habe selbst viel Gewalt erfahren in der Kindheit – in der Familie und im Dorf. Da ging es sehr rau zu. Ich habe darunter gelitten. Mit 17 fing ich bei der Polizei an. Das war auch der Traum, mit schwierigen Situationen umgehen zu können.

Prinzipiell könnten alle zum Opfer werden. Aber manche haben in bestimmten Situationen ein höheres Risiko . . .

Ja, wer traurig ist, schlecht gelaunt, mit Kopfkino beschäftigt, müde, in sich zusammengesunken, wer hinkt oder behindert ist – der zeigt einem Täter, dass es leicht werden wird. Wenn ich ein Täter bin und mich an die Nebenstelle der Sparkasse auf dem Land stelle – wem gehe ich hinterher? Sicher nicht dem 150 Kilo schweren Metzger, der gerade aus der Bank kommt. Sondern der Oma mit dem Rollator. Weil ich weiß, dass ich die nur schubsen muss, dann kippt sie um.

Tipp für alte Damen: Handtasche loslassen!

Aber an meinem Rollator kann ich ja nun nichts ändern!

Aber ich kann ändern, dass ich alleine gehe – ich kann mit jemand zusammen gehen. Und ich empfehle, das Geld zu trennen: große Beträge in die Mantel­tasche, in die Handtasche nur den Zwanziger. So dass der Täter denkt, wenn er in der Handtasche wühlt: Die hat wohl nur eine Überweisung gemacht.

Handtasche loslassen, wenn ich über­fallen werde?

Ja. Man kann sich sehr verletzen, wenn man an der Handtasche über den Asphalt gezogen wird. Manchmal aber kloppen
ältere Frauen mit der Tasche um sich und sind erfolgreich.

Anderer Fall: sexuelle Anmache von Frauen. Sie erzählen im Buch von Milena, auch einem realen Fall. Die wartete frühmorgens am Busbahnhof, auf dem Weg zur Arbeit. Ein Mann stellte sich neben sie, rückte immer näher. Sie sagte: „Geh weg!“

Das reicht nicht. Männer reagieren auf Handlungen, nicht auf Reden. Sie hatte schon früh gespürt, dass hier was nicht stimmt. Sie hätte ihrem Instinkt folgen und sich zu den Wartenden auf einem anderen Bussteig stellen sollen. Aber sie blieb da. Dann hat er sie geschubst und sie an ihrem blonden Zopf herumgezerrt.

Wie ging das aus?

Drei alte Frauen auf einem anderen Bussteig haben das gesehen. Die eine ist losgesprintet. Sie hat sich vor Milena gestellt – als „Wand mit Handtasche“. Das war sehr wirkungsvoll. Sie hat das Opfer geschützt, aber den Täter nicht angegriffen. Gewaltfreier Widerstand. Hier stehe ich und kann nicht anders.

Wenn Polizisten gewalttätig werden...

Ich muss Sie am Ende noch was zur Poli­zei fragen: Auch Polizeibeamte können gewalttätig sein. Mindestens grob.

Mhm, kann vorkommen.

Angenommen, ich sehe, wie Polizisten am Hauptbahnhof einen jungen Schwarzen überprüfen und dabei sehr grob anfassen. Kann ich hingehen zu denen und . . .

Wenn Sie da hingehen und poltern, sind Sie nicht anders als die.

Ich könnte die nach ihrem Namen fragen.

Glauben Sie, die werden freundlicher, wenn Sie sagen: „Kann ich mal Ihren Namen haben“? Die müssen doch auch ihr Gesicht wahren können! Am besten sprechen Sie die unter vier Augen an: „Ich weiß, dass Ihr Job hier am Hauptbahnhof sehr schwierig ist, und ich will mich auch nicht einmischen, aber könnten Sie den nicht ein bisschen freundlicher behandeln?“ Da muss man auch selber runter vom hohen Ross. Sonst antworten die knallhart und geben Ihnen einen Platzverweis, weil Sie eine Maßnahme stören. Oder sie sagen Ihnen, Sie sollen sich an die Pressestelle wenden oder einen Brief an den Polizeipräsidenten schreiben.

Und wenn ich sehe, wie die jemanden schlagen?

Dann packen Sie das Handy aus und filmen das. Und wenn Sie intervenieren wollen, nehmen Sie zwei Leute mit, gehen Sie hin, stellen sich Schulter an Schulter und sagen zu den Polizeibeamten: „Das ist nicht akzeptabel, hören Sie auf damit.“ Das hat einen Einfluss! Sagen Sie zwischendurch immer wieder: „Ich kann Sie ja verstehen, dass das ein schwerer Job ist.“ Deeskalieren, damit hat man Erfolg. Aber sie runterzumachen, damit erreichen Sie nichts.

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Ein sehr guter Artikel; vielen Dank. Mich hat er über das eigentliche Thema hinaus noch angeregt, einmal zu prüfen, ob ich mich nicht manchen Menschen gegenüber unnötig "klein" mache und ob ich das nicht ändern kann.

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Ich habe mit großem Interesse Ihre Titelgeschichte gelesen, wie überhaupt Ihre Zeitschrift zu lesen, ein fachliches wie sprachliches Vergnügen ist.

Besser als in Ihrer Titelgeschichte kann man die Thematik nicht „an den Mann“  bringen.

 

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„Wenn ich ein Täter bin…wem gehe ich hinterher? Sicher nicht dem 150 kg schweren Metzger…“

Dazu möchte ich anmerken, daß wir eine gut eingeführte Metzgerei mit 50 Mitarbeitern haben, davon 12 Metzger, und von den 12 Metzgern wiegt keiner 150 kg, sondern die sind alle ganz normal gebaut. Seit ewigen Zeiten kämpfe ich gegen das Vorurteil, daß Metzger dick und brutal sein müssen. Schade, daß Ihre Zeitung ein solches Klischee auch wieder bedient.

Unsere beiden Geschäftsführer sind gebildet, haben Abitur und ein Studium absolviert, bevor sie die Metzgerei übernommen haben. Unsere Mitarbeiter sind klug, weltgewandt und kein bißchen klischeemäßig metzgerhaft.

Das wollte ich nur mal anmerken.

Metzger = 150 kg = Klischee. Klischees kennen fast alle, deshalb bedient man sich ihrer um einen Sachverhalt unkompliziert darzustellen. Dass nicht jeder Metzger ein Schrank ist bedarf gar nicht der Erklärung. Genauso wenig hat jeder Ringer-Leistungssportler eine Adonisfigur, da gibt's auch die Gewichtsklassen bis 52 kg. Völlig überflüssig zu erläutern.
Das Interview hingegen ist klasse aufgebaut. Liest sich sehr schön herunter und gibt einem spontan das Gefühl, ähnlichen Situationen nun gut gewachsen zu sein. Wobei das vielleicht ist wie mit dem Erste-Hilfe-Kurs. Theoretisch hat den jeder gemacht, der einen Führerschein sein eigen nennt. Aber der Kurs ist ja so lange her, man will ja nichts falsch machen... Man müsste es, wie die Kids in den Schulen, üben können. In Stresssituationen greift man auf das Wissen u die Handlungen zurück, von denen man weiß, dass sie funktionieren.

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Mit grossen Interesse habe ich Ihren Artikel über Zivilcourage mit dem Gespräch mit Herr Bongartz in dem Heft 9/2013 gelesen. Er enthielt wertvolle Anregungen, die mir in kritischen Situationen helfen können.

Ich frage mich allerdings, warum nicht eine Kurzfassung dieser Verhaltensanweisungen in  jeder U-Bahn- und-S-Bahnstation aushängt, warum nicht eine entsprechende Broschüre in den Waggons ausliegen.

Ein Vorschlag: richten Sie doch entsprechende Anfrage an die Deutsche Bahn, bzw. die für den U-Bahn- und Busverkehr zuständigen Stellen und berichten über die jeweiligen Antworten in einem Beitrag.

Schön, dass Chrismon online abrufbar ist. Das fällt mir erst jetzt auf, nachdem ich vor Jahren die Zeitung wechselte und Ihr Heft nicht mehr automatische als Abo-Beilage erhielt. Das Interview ist, wie von früher gewohnt, informativ, gut geführt und bereitet Lesevergnügen. Ich werde häufiger mal vorbeischauen!

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Ich würde mich freuen, wenn in der Grundschule derartige Themen mit den Schülern im Detail besprochen werden. Unser Kind fährt zunehmend allein mit Straba und ich fände derartige kompetente Schulungen wunderbar, zumal ich als Elternteil auch nicht alles wissen kann.
Ich würde mich sicherer fühlen, wenn diese Thematik zunehmend an Schulen vermittelt wird.