Chance vertan - die Quote hätte jetzt kommen müssen
Wir brauchen die Quote. Jetzt und nicht erst in zehn Jahren. Mal wieder hat die Politik eine Chance vertan. Und das ist sehr schade.
Tim Wegner
18.04.2013

chrismon Redakteurin Dorothea Heintze

Wer Ursula von der Leyen in den letzten Wochen und Monaten erlebt hat, wie sie sich hochemotional und engagiert für die Quote eingesetzt hat, der weiß: Dies ist ein schwarzer Tag für die zweitmächtigste Politikerin in Deutschland  - ein sehr schwarzer Tag. Da mag von Konsens und Kompromissen die Rede gewesen sein. Am Ende war es nichts anderes als eine bittere Niederlage. Heute wäre es darum gegangen, ein starkes Zeichen zu setzen. Ein „Ja“ für den Antrag der Opposition, weil jenseits aller Parteiquerelen längst klar ist: Mehr Frauen in Führungspositionen schaden nicht, sie nützen. Und der freie Markt regelt es eben nicht von allein: Denn der freie Markt wird bestimmt von Köpfen und in diesen Köpfen haben sich über Jahrzehnte hinweg bestimmte Muster eingefressen.

Zum Beispiel dieses: Ja, Frau arbeitet, Frau kombiniert auch eine Familie mit dieser Arbeit und ja, ein paar seltene Exemplare machen auch eine richtig große Karriere. Alle anderen bleiben brav in ihren Grenzen. Denn wirkliche Macht, die ist ja soooo unweiblich. Sowas passt nicht zu unserem Frauenbild.

Wir brauchen mehr Chefinnen

Woher meine Überzeugung kommt? Da brauche mir nur meine eigene Geschichte anzusehen. Hatte ich Chancen? Ja. Bin ich dabei jemals von meinem eigenen Mann, meinen Chefs und Chefinnen behindert worden? Nein!

Meine Argumente für das „Nein“ - siehe oben: „Macht“ war für mich in „Ih-bäh“-Begriff. Sollten sich doch die Anzug- und Krawattenträger in den Chefetagen darum prügeln. Ich wollte einen netten Job, der mir meine Freiheiten und genügend Zeit für die Kinder ließ. So war ich aufgewachsen, so hatte ich es gelernt, und anders als andere Frauen habe ich diese Schranke in meinem Kopf nicht durchbrechen können.

Waren die Männer, die an mir vorbeizogen, begabter? Glaube ich nicht. Aber sie hatten Vorbilder, gute, wie schlechte. Wenn ich in jungen Jahren nach Frauen über mir suchte, dann sah ich oft den berühmten „Blaustrumpf“: Single, hart und unsympathisch. Keine erstrebenswerte Größe.

Das sei doch längst anders geworden, höre ich. Klar ist es das. Mittlerweile gibt es viele Chefinnen: Singles und Mütter, Überfliegerinnen und ganz normal Begabte, Blaustrümpfe und Blauröcke. Das ist gut so, denn wie die Männer brauchen auch wir Frauen viele unterschiedliche „role models“. Trotzdem: Gleichberechtigt ist hier noch lange nichts.

Übrigens auch nicht in den Medien. Zwar schreiben wir gerne und viel über Gleichberechtigung, doch in der Realität sitzen Männer in den Chefetagen. Und weil das so ist, bin ich Gründungsmitglied bei ProQuote e.V.: 30 Prozent mehr Chefredakteurinnen, in Zeitungen, Radio und Fernsehen,  wollen wir erreichen. In fünf Jahren soll das Ziel erreicht sein, dann wollen wir uns auflösen. Mal sehen, was wir schaffen. Da gibt es noch viele Männer, die freiwillig nicht b            eiseite rücken werden.

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Neulich war ich in Süddeutschland in einem archäologischen Museum. Die Ausstellungen waren schwerpunktmäßig aufgebaut, sehr informativ und konzentriert. Es gab auch einen Raum zur Entwicklung der Menschen mit Schaubildern von den ersten Anfängen, den Exemplaren in Afrika und Australien bis heute.
Dargestellt und abgebildet waren nur Männer!

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" Die Quote ist eine Art Brechstange. Sie hebelt die gläserne Decke auf, sie zwingt zur Veränderung. Nur mit einem solchen >kraftvollen Anstoß <, meint Carsten Wippermann, könnte die Decke zerspringen. Nur so kann frische Luft in die Chefetagen gelangen." Zitat aus Cicero. Die Brechstange scheint für Soziologen ohnehin das liebste Werkzeug, obwohl die Amazonen in der Antike auch nicht allzu sanft waren.. Der "Ih-Bäh Begriff " dagegen, klingt wie der Aufstand dummer Gören ...Hoffentlich haben die Herren ein Einsehen und greifen ihren Schützlingen doch endlich unter die Arme ! Das wäre sehr wünschenswert.

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Alle Frauen, die um ihre Unabhängigkeit ringen, haben Unterstützung verdient, und jeder Mann, der auch nur im geringsten ein Einsehen hat, sollte hier seine Unterstützung zusagen .

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WeißeWucherblume schrieb am 19. April 2013 um 13:32: "Dargestellt und abgebildet waren nur Männer!" Sollte dies gemeint sein als Aufforderung für eine gesetzliche Regelung, wie viele Abbildungen in Museen weiblich zu sein haben, dann möchte ich mich dazu nicht äußern. Bedenklicher stimmt mich ein anderer Satz. Zitat: "Es gab auch einen Raum zur Entwicklung der Menschen mit Schaubildern von den ersten Anfängen, den Exemplaren in Afrika und Australien bis heute." Die ersten Anfänge der Menschheit liegen nicht in Australien. Die Gattung Australopithecus gehört zu dem, was umgangssprachlich als Vormenschen bezeichnet wird. Der Name hat aber nichts mit Australien zu tun. Er bedeutet Südaffe. Weder der Australopithecus, noch die darstellerisch unterrepräsentierten Australopithecusinnen haben in Australien gelebt.

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Ich hatte mit meinem Kommentar darauf hinweisen wollen, dass die Wissenschaftler (wohl ausschließlich oder überwiegend Männer) für das Bild des Menschen in seiner historischen Entwicklung nur die männliche Erscheinungsform in der Ausstellung dargestellt haben. Ich sprach noch eine Besucherin an, der war das erst gar nicht aufgefallen. Was sollen denn da Gesetze? Im Deutschen kann man ja zwischen "Mann" und "Mensch" unterscheiden. Aber ein "Mensch" ist eben auch einer, der wie ein Mann erscheint. Es ging mir um die Denkbequemlichkeit, darum, dass immer gemeint wird, nur Männer seien Menschen. Ich meine nicht unbedingt, wir müssten mit dem Unterstrich oder dem Binnen-I schreiben. Aber die Denkgewohnheiten, um die sollten wir uns genau so kümmern, wie auf manchen Gebieten um die Quote.

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Zu "Gesetzliche Regelung ": Die "Denkgewohnheit, Denkbequemlichkeit" scheint dann offensichtlich auf beide Seiten zuzutreffen : für die einen zählt der wissenschaftliche Standpunkt, während die anderen in der Hauptsache sich selbst bespiegeln. Es klingt unwahrscheinlich, dass nur männliche Exemplare dargestellt und abgebildet wurden, denn schliesslich zählt eine berühmte junge weibliche, nach Schätzungen, 29.Jährige Vertreterin des Australopithecus afarensis, genant "Lucy" , zu den ältesten bekannten Austarlopithecinen, dann der 12jährige Turkana- Junge, ein Homo erectus, ein Kind also. Die Entwicklung des Menschen ist ohne die Darstellung der Geschlechter doch kaum möglich. Wer sich sehr für andere Menschen einsetzt, läuft Gefahr, ungerecht, flüchtig, zu werden, und sich selbst gleichzeitig zu überfordern. Gerade dort setzten sich Denkgewohnheiten fest. Im Kommentar "Hospitzhelfer " scheinen Sie Übereifer zu demonstrieren. Das fiel mir auf.

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WeißeWucherblume schrieb am 22. April 2013 um 9:54: "Aber die Denkgewohnheiten, um die sollten wir uns genau so kümmern...." Bei diesem Ihrem Projekt bin ich gerne dabei. Also packen wir es fröhlich an! Die vorherrschende Denkgewohnheit lautet: Es gibt viel mehr männliche Chefs als Chefinnen. Das muss sich ändern! Wieso eigentlich? Den aktuellen Streit, ob diese Änderung per Gesetz oder anderweitig zu erfolgen hat, sollte man erst begutachten, wenn vorher das gemeinsame Ziel der Streitenden, nämlich mehr Führungsfunktionen durch Frauen ausüben zu lassen, etwas näher betrachtet worden ist. ________________________ Es gibt viel mehr Mörder als Mörderinnen. Brauchen wir also mehr Mörderinnen? Wer ist dieses "wir"? Es gibt viel mehr Henker als Henkerinnen. Brauchen wir also mehr Henkerinnen? Die meisten Generäle dieser Welt sind männlich. Muss es uns also ein Anliegen sein, dass die Marschbefehle für Drohnen und Tomahawks etwa zur Hälfte von Frauen kommen? Alle Päpste (gewisse Unklarheiten zu Borgia-Zeiten mal außer Acht gelassen) waren Männer. Muss also endlich eine Frau als Papst her? __________________________ Wieso soll es einer Pflegehelferin in einem Krankenhaus, die für wenig Geld viel arbeiten muss, wichtig sein, ob in der Führungsebene der Aktiengesellschaft, die das Krankenhaus betreibt, in etwa so viele Frauen wie Männer sitzen? Im Vorstand einer Aktiengesellschaft wird dafür gesorgt, dass das Interesse der Aktionäre an einem hübschen Reibach in Betriebsführung umgesetzt wird. Wird dieses edle Vorhaben für die Geführten angenehmer, wenn der Hälfte der Führer das Y-Chromosom abgeht? ______________________________________ Wenn eine Frau sich und anderen all das angetan hat, was sie tun musste, um die Karriereleiter hoch zu klettern, dann ist die Frauenquote in ihrem Interesse, wenn es um den Aufstieg in die höchsten Positionen geht. Für die Eigentümer der Firmen ist die Frauenquote auch von Interesse, denn die wollen alles und Jede und Jeden für ihren Laden einspannen. Wenn sich dann aber auch noch normale Menschen dafür begeistern, dann dürfte ein gefährlicher Denkfehler zur Denkgewohnheit geworden sein.

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Die Rolle der Frau wird für "den Schrecklichen" bis zum letzten Atemzug ein Nebenwiderspruch bleiben, selbst wenn der Kapitalismus abgeschafft sein wird, wird sie ein Anathema bleiben.

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Gast schrieb am 16. Mai 2013 um 1:08: "Die Rolle der Frau wird für "den Schrecklichen" bis zum letzten Atemzug ein Nebenwiderspruch bleiben" Wie gut zu wissen, dass von ideologischen Verblendungen freie Menschen und Menschinnen einen klaren Blick auf den Hauptwiderspruch haben. Der geht bei der Rolle der Frau so: Die Heilige Jungfrau Maria hat es doch auch ohne Frauenquote bis zur Himmelskönigin gebracht. Allen Respekt!

Die Frauen sollen ihre Weiblichkeit bewahren, sofern es für sie nicht schädlich ist. Und die Männer sollen ihre Männlichkeit bewahren. M. E. kann es auch ohne eine Quote eine Gleichberechtigung der Frauen geben. Mehr dazu auf meinem Blog (bitte auf meinen Nick klicken).

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ist der zwischen Hegemonialstreben und Menschlichkeit.

Beeindruckender als Maria aus Nazareth finde ich die Apostelin Maria Magdalena, die Gemeinden gründete.

Wünsche Frohe Pfingsten gehabt zu haben.:-)

Gab es hier einen Relaunch? Mein alter Name wird nicht angenommen...