Wenn man mit dem alten Chefarzt Doktor Meyering um Gehalt verhandelte, ging es meist schnell und reibungslos. Man sprach über 13,25 Monatsgehälter und einen Dienstwagen der 3er Reihe. Irgendwann kam er dann mit dem Thema 5er Reihe. Für diesen Moment hatten die Personaler den großen BMW-Katalog auf dem Schreibtisch, den kleineren in der Schublade, zum Nachverhandeln. Stellplatz neben dem Haupteingang, dritter Platz rechts zwischen dem Geschäftsführer und dem Verwaltungsleiter. Büro im Erdgeschoss.
Ach so, das geht nicht, da riecht es im Winter nach Küche? Na gut, in zwei Jahren Büro im siebten Stock. Notfalls eine Wand einreißen, das USM-Haller Sideboard raus, das Technik-Sideboard mit Rollen rein. Für den Flachbildschirm, selbstverständlich, Herr Doktor Meyering, den brauchen Sie jetzt, für die OP-Überwachung. Da wenden Sie sich an die Bauabteilung, lassen Sie sich von Frau Schätzing gleich einen Termin geben, prima, dann wären wir uns ja einig. Die Verhandlungen mit dem Doktor dauerten nie länger als 30 Minuten.
So lief das mit Herrn Doktor Meyering, dem alten Wolf. Aber der Alte geht in Ruhestand, auf dem Bewerbungsstapel liegen viele, viele Mappen von fleißigen jungen Ärztinnen. Einser-Examen, Auslandsjahr in Liverpool, Notärztedienst am Wochenende, Volunteer-Einsatz nach dem Tsunami in Khao Lak. Keine Frage, die jungen Frauen müssen auf jeden Fall eingeladen werden zum Bewerbungsgespräch. Aber jeder in der Personalabteilung weiß: Es wird nie wieder so schnell gehen wie mit dem alten Doktor Meyering.
Schon die erste klingt sehr kompliziert. 13 Monatsgehälter, von 17 bis 19 Uhr dienstfrei für die Kinderbetreuung. In den Osterferien sowie der ersten Hälfte der Sommerferien keine OP-Termine. Die zweite will ein iPad, damit sie im ICE die Röntgenbilder kontrollieren kann. Wie jetzt, im ICE? Warum fährt die nicht Auto? Ach, die will jetzt auch noch eine BahnCard 100 erste Klasse. Für 6400 Euro. Aha. Die will tatsächlich arbeiten auf dem Heimweg. Soso. Das dauert.
Der alte Meyering war manchmal ganz froh, wenn er sonntags in die Klinik kommen konnte. Daheim waren sonntags nicht nur die Kinder, oft auch die Schwiegermutter, und es war laut. Und wenn der alte Doktor im Auto saß, dann saß er im Auto. Einmal forderte er ein Cabrio. Weil, O-Ton Meyering, „die zehn Minuten von der Klinik nach Hause, da lebe ich richtig.“ Da fuhr er dann mit offenem Verdeck, der alte Meyering.
Die jungen Frauen aber, die wollen das wirklich alles hin kriegen mit dem arbeiten und dem leben. Und jede ist anders. Die Bauabteilung würde jetzt so gern Möbel-Elemente neu zusammensetzen, gern auch ein Regal zersägen. Aber Lebensläufe? Glücksvorstellungen? Kinderwünsche? Gibt’s nicht im Katalog. Das dauert, die Gehaltsverhandlungen.
A propos - hat der Meyering nicht von diesem jungen Facharzt erzählt, dem Sohn vom Pätzold? Der gerade noch in Harvard famuliert? Der soll sich doch mal vorstellen nächste Woche. Der Stellplatz von der Zischke ist noch frei. Die fährt ja Fahrrad. Und hat letzte Woche den Einbau einer Dusche eingefordert. Weil man nach dem Radfahren so schwitzt. Eine Dusche! Für Radfahrer! Kann der junge Pätzold? Ja, ja, bis 13,75 hoch gehen. Noch Fragen?