Es wird ernst, das merke ich auch in meinem E-Mail-Fach. Fast jeden Tag ploppt dort eine neue Einsatzanfrage auf. Ich hatte mich ja im Frühjahr als Reserve-Krankenschwester registrieren lassen, um in der Corona-Krise einzuspringen. Bis vor zwei Wochen blieb es ruhig, jetzt brauchen Kliniken und Pflegeheime Hilfe. Sie suchen in der Regel niemanden für ihre Covid-Intensivstationen - da müssen erfahrene und speziell ausgebildete Leute ran - sondern Helfer:innen für die normalen Abteilungen. Dort entstehen Lücken, weil Fachkräfte auf die Isolierstationen wechseln oder selbst an Covid erkrankt sind, was immer häufiger passiert. Immer häufiger übrigens arbeiten diese dann trotzdem weiter.
Eine der ersten Anfragen, die mich erreichte, kam von einem Altenheim. Sie brauchen jemanden, der bei den Bewohner:innen, Besucher:innen und Mitarbeitenden Schnelltests auf Corona durchführt. Ich werde das machen. Nicht ehrenamtlich übrigens, sondern als bezahlter Nebenjob, ein paar Stunden die Woche, voraussichtlich bis Ende März.
Als ich mich heute dort vorstellte, wurde ich schon an der Tür abgefangen. Ich hatte nur eine Stoffmaske auf. Man brachte mir eine FFP 2-Maske, dann erst durfte ich ins Haus. Lichterketten hingen an den Fenstern. Die Pflegedienstleiterin hatte freundliche Augen, mehr sah ich nicht von ihrem Gesicht. Als erste Amtshandlung testete sie mich. Geschickt schob sie das dünne Wattestäbchen durch ein Nasenloch, immer tiefer nach hinten. Zehn Sekunden soll es hinten am Rachen bleiben, erklärte sie. Meine Augen begannen zu tränen, ich wehrte mich gegen den Reflex, das unangenehm reizende Stäbchen rauszuziehen, atmete bewusst ein und aus.
Fünf Tests in der Stunden soll ich im Durchschnitt schaffen. Klingt erstmal wenig. Aber es sind ja alte, zum Teil gebrechliche Menschen. Sie werden einzeln durch die Tür kommen, mit Rollator oder Rollstuhl. Sie müssen unterschreiben, dass sie einverstanden sind. Sie müssen sich hinsetzen, den Kopf etwas nach hinten neigen. "Manche weichen vor dem Stäbchen zurück und ziehen den Kopf weg, wenn Sie tiefer schieben", sagt die Leiterin. Bei einer alten dementen Dame habe sie während des Testens gesungen. Das habe sie beruhigt. Es ist gut, wenn man selbst einmal gespürt hat, wie es sich anfühlt, das fanden wir beide.
Mein Testergebnis war übrigens negativ. Keine große Überraschung. Aber ein bisschen aufgeregt war ich doch, als ich nach fünfzehn Minuten auf das Testfeld schaute. Auch das will ich nicht vergessen, wenn ich andere Leute teste.