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Wir waren mit Freunden beim Essen. In einem Lokal, das Traditionelles und gewohnte Speisefolgen auf neue und zugleich sehr bodenständige Weise interpretiert. Als „Starter“ wurden Oliven und gebratene Artischocken angeboten, Bauernbrot mit Griebenschmalz, gezupftes Schwein mit Meerrettich, was andere lieber schick „pulled pork“ nennen, und... süßsaure Radieschen!
Die haben mich am meisten interessiert. Hatte ich noch nie gegessen.
Sie kamen halbiert, ganz und gar in zartem Rot samt Teilen des Krautes, allesamt in ein weißes Schüsselchen versenkt. Und sie schmeckten köstlich. Leider habe ich vor lauter Plaudern und Diskutieren mit den Freunden vergessen, den netten Kellner nach dem Rezept zu fragen. Vermutlich hätte er aber gar keine Zeit gehabt, für mich in der Küche zu recherchieren. Das Lokal mit dem Namen „Goldmarie“ war verständlicherweise - wegen des ausgezeichneten Essens - sehr gut gefüllt.
Den Namen habe ich als Inspiration verstanden. Goldmarie ist im Märchen das Mädchen, das zu Hause ziemlich viel Ärger hat, einer verlorenen Spule in den Brunnen hinterher springt und auf einer Wiese erwacht. Sie ist Frau Holle zu Diensten, holt sprechendes, gebackenes Brot aus dem Ofen, schüttelt reife Äpfel vom Baum und richtet ihr das Bett. Vieles davon tue ich in ähnlicher Weise auch - ohne zuvor oder danach irgendwelchen Ärger zu haben.
Ich fand, Radieschen einzulegen, würde gut in diese Reihe passen. Also machte ich mich daran, dem Restaurant Goldmarie nachzueifern. Offen gestanden waren allerdings die süßsauren Radieschen ein wenig schrumpelig anzusehen - hohen ästhetischen Anforderungen haben sie nicht so ganz genügt. Deswegen habe ich zwei Bund Radieschen gewaschen und das Gemüse in etwas dickere Scheiben geschnitten. Um zusätzlichen Schwung in die Rezeptur zu bringen, durchstöberte ich den Kühlschrank.
Gelbe Rüben, Sellerie, Pilze und Ingwer schienen mir als Ergänzung zu den Radieschen sehr gut zu passen. Ich habe alle diese Zutaten, ebenfalls in Scheiben bzw. Stückchen geschnitten, in blitzsaubere und heiß ausgespülte Gläser geschichtet. Nebenbei habe ich einen Sud angesetzt aus 300 ml Wasser und ebenso viel Essig. 250 gr Zucker kommen dazu, am Besten brauner. In den Sud gehören noch ein gehäufter Teelöffel Salz, Pfeffer-, Koriander- und Senfkörner und roter Chili. Muss aber nicht sein.
Den heißen Sud habe ich über das Gemüse in die Gläser gegossen und sie sofort verschlossen. Ideal sind Bügelgläser, aber wenn man die nicht hat, kann man einfache Schraubgläser verwenden. Wie bei allem, was man einmacht, ist es auch bei den Radieschen sinnvoll, sie ein bis zwei Wochen ziehen zu lassen, bevor man sie probiert. Ich kann das nicht - ich bin viel zu neugierig, wie das schmeckt, was ich produziert habe. Ich öffne die Gläser also schon nach drei Tagen.
In dieser kurzen Frist haben sie bereits Farbe und Aroma angenommen. Sie können pur oder zu belegten Broten gegessen werden und zu Kartoffeln. Auch im Salat spielen die süßsauren Radieschen eine herausragende Rolle. Mein Mann findet übrigens, dass alles Fermentierte etwas müffelt - je länger im Glas, desto mehr. Also halte ich mich ran mit Essen und beschenke auch interessierte Freunde mit Selbstgemachtem. So entgehe ich der Gefahr, zu Hause doch noch Ärger zu kriegen. Ich ziehe dem Pech das Gold vor - als Marie.
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