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Ich sehe gerne alte Krimis. Solche, in denen die Handlung langsam voranschreitet und die Kamera geduldig auf den Gesichtern verweilt. Die Dialoge sind ein wenig langatmig, aber akustisch verständlich. Anders als heute, wo man eine extra Einstellung „Klare Sprache“ anwählen muss, um mitzukriegen, was die Schauspielenden vor sich hinnuscheln. Mein Angetrauter, eher der Typ für rasante, dialogarme Action-Thriller, seufzt beim Mitsehen meiner Filme stets auf. Manchmal meine ich so etwas wie „macht hinne“ zu vernehmen.
Ein Herz und eine Seele sind wir in der Begeisterung darüber, was man alles aus vergangenen Jahrzehnten mitkriegt. Wie Wohnungen eingerichtet waren - die Tapeten! -, welche Kleidung als schick galt - könnte man heute locker wieder tragen! -, was gegessen und wie geredet, welcher Lebensstil gepflegt wurde. Manches ist uns beiden neu, zum Beispiel, dass andauernd irgendwo Cognac getrunken wird, auch während der Dienstzeiten. Anderes haben wir als Kinder und Jugendliche am Rande oder hautnah mitbekommen: Nierentische, Teakholz und Kredenzen in der Küche.
Auf jeden Fall vermittelt das Anschauen alter Filme lebens- und zeitgeschichtliche Kompetenz. Bei der Reflexion früherer Kneipenkultur hat Claudia, die aus dem Münsterland kommt, meine Krimi-Kenntnisse vertieft. Ich habe gelernt, dass dort, wo heute Tapas, Antipasti und verführerische Tramezzini gereicht werden, anno dunnemals Mettbrötchen und Schmalzstullen, Bismarckheringe und Soleier auf der Theke standen. Auch in dunklen Spelunken. Man aß sie als kleine Zwischenmahlzeit zum Bier, als Stärkung vor dem Nachhausegehen oder einem geplanten Bruch.
Spitzenköche vor allem in NDR und WDR sind inzwischen unterwegs, um unsereinem diese traditionellen „Heimat-Häppchen“ auf eine neue, elegante Weise näher zu bringen. Ich habe mich, passend zur österlichen Freudenzeit, vor allem für Soleier interessiert. Die hat man offenbar, so meine Freundin, abgeschafft, weil durch eine anhaltende Präsentation im Glas die Kühlkette unterbrochen wird und das laut EG-Verordnung nicht mehr erlaubt ist. Wusste ich nicht. Sol-, also Salzeier werden doch eingelegt, um lange haltbar zu sein?
Aber nachmachen, das wollte ich unbedingt. Ich mixte die Infos von Claudia mit Einsichten aus meiner Rezeptlektüre im Internet. Fünf bis zehn Eier hart kochen. Zwischenzeitlich eine Zwiebel halbieren und die Schnittflächen in der Pfanne ohne Fett anrösten. Einen Sud ansetzen aus 700 ml Wasser, 150 ml Weißwein- oder Apfelessig, 60 gr Salz und 40 gr Zucker (gerne auch Agavensirup oder Kokosblütenzucker). Den Sud würzen mit Wacholderbeeren, schwarzen Pfefferkörnern, Lorbeerblättern und der Zwiebel. Dann kann man hinzufügen, was man daheim hat.
Ich habe Senf- und Pimentkörner genommen, Koriandersaat, getrocknete französische Kräuter und eine kleine gedörrte Chili. Den Sud habe ich aufgekocht und heiß über die Eier gegossen, die inzwischen in einem großen Weckglas Platz genommen hatten. Normalerweise „detscht“ man die Schale ein und legt die Eier mitsamt ihrem Drumherum ein. Ich habe sie gleich geschält. Wahrscheinlich kriminell, es weiß aber keiner. Eine gute Ergänzung erschien mir frischer Koriander. Feel free: Natürlich kann man auch Dill nehmen oder Petersilie.
Die Eier ruhen am besten zwei Tage im Kühlschrank. Dann kann man sie herausholen, halbieren, das Eigelb auslösen, die Mulden mit Essig, Salz, Pfeffer und - traditionell - Senf mischen. Ich nehme Mayonnaise. Bestimmt verboten. Aber viele Krimis machen halt einen Hauch gesetzlos. Den Dotter vorsichtig zurück ins Eiweißschiffchen geben - und, haps, weg damit. Länger als zwei Wochen soll man die Soleier nicht aufheben. Sie werden grünblau und müffeln ein wenig, wie die sprichwörtliche Leiche im Keller. Gut sind sie trotzdem noch.
Aber keine Sorge. Die Eier verschwinden schnell und spurlos. Beweise gibt es keine. Aber Moment mal, da kaut doch einer!
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