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Der runde Geburtstag, die Silberhochzeit naht. Alles wartet auf die Einladung zu einem rauschenden Fest. Aber sie kommt nicht. Die Jubilare möchten allein sein, höchstens zu zweit oder zu viert. Keine Verwandten! Kein Vorbereiten und Aufräumen! Weit weg in ein Hotel, in eine versteckte Pension, auf eine Hütte in den Bergen und stillvergnügt für sich gefeiert. Womöglich fällt die Fete sogar ganz und gar ins Wasser, weil jemand meint, dass der Anlass eigentlich nichts hergibt. Rundherum Enttäuschung: Wie kann er nur?
Aber er kann und sie auch. Es gibt keinen Zwang zu den heiteren Dingen des Daseins. Ein Fest darf nicht eingeklagt werden das wäre ein Widerspruch in sich. Eine Feier muss, soll sie Sinn machen, mit der Person und dem Wesen dessen harmonieren, den man hochleben lassen möchte. Im Zweifelsfall lässt sich das doch auch in heiterem, glashebendem Gedenken an den Abwesenden tun. Prost Mama, wo auch immer du jetzt steckst!
Jeder soll feiern, wie er das für richtig hält. Dennoch möchte ich ein gutes Wort einlegen für alle, die unbedingt mitfeiern wollen. Die meisten von ihnen spüren, dass sich mit diesem einen Festtag etwas Besonderes verbindet: der Übergang zum Erwachsensein oder zum Alter, der Wechsel von einer Lebensform in die andere, vom Single zum Paar oder zur Familie. Die unruhig harrende Festgemeinde weiß instinktiv, dass dieser individuell bedeutsame Übergang eigentlich einen besonderen gemeinschaftlichen Ritus braucht. Ein archaisches, urtümliches Gefühl, das mit der eigenen Person zu tun hat: Wie wird es sein, wenn ich alt werde? Wie war es, als wir heirateten und Kinder bekamen? Gemeinsame Feste helfen, sich zu erinnern, in die Zukunft zu schauen, das Leben zu ordnen und sich gegenseitig zu versichern: Ich habe Interesse an dir, ich nehme Anteil an allem, was mit dir ist ich bin dabei.
Also: Gemeinsam feiern. Oder auch allein, so ganz für sich. Das funktioniert. Man muss es nur einüben. Viel zu oft heißt es: "Ach, für mich lohnt sich das doch gar nicht", und man verzichtet darauf, sich etwas zu kochen und sich an einen nur für sich selbst schön gedeckten Tisch zu setzen. Stattdessen mampft man während einer Quiz-Show im Fernsehen irgendein aufgewärmtes Fertiggericht. Jammerschade! In den Jahren meines Single-Daseins habe ich gemerkt: Ein Teller, der eine Augenweide ist, steigert mein Selbstwertgefühl. Er drückt aus: Mein Wert hängt nicht davon ab, dass noch andere mit am Tisch sitzen. Das Brot mit Freuden zu essen und den Wein guten Muts zu trinken, wie es ein weisheitlicher Spruch der Bibel empfiehlt, ist zwar am schönsten in Gesellschaft, aber es steht einem auch ganz alleine zu. Der Werbespruch einer Kosmetikfirma nennt, was Grund für fröhliche Lebensgestaltung sein könnte: "Weil ich es mir wert bin."
Und weil ich es mir wert bin, zelebriere ich auch meinen Alltag. Manch einer schafft das leider erst, wenn er einmal ganz nah dran war, sein Leben zu verlieren. Erst dann wird einem klar, welches kostbare Geschenk man eigentlich jeden Tag morgens wieder entgegennimmt. Ein Geschenk, das ständig neuer Anlass zum Freuen und Feiern ist, auch wenn man mit manchen Einschränkungen zu leben hat. Eigenes Leiden öffnet die Augen für die unzähligen kostbaren Momente im Leben, die erschreckend unbeachtet vorübergegangen und leichtsinnig missachtet worden sind. Umso wichtiger, sie dann, wenn sie einem unerwarteterweise neu zuteil werden, zu ergreifen und mit Leib und Seele zu genießen, so viel man eben kann: Weil Ihnen Gutes widerfährt und Sie es wert sind! Wer gelitten hat, weiß zu leben. Man sollte es aber besser nicht darauf ankommen lassen.
Es gibt winzige Anlässe und riesengroße Gelegenheiten, das Leben in kleinem Rahmen oder in großem Stil festlich zu begehen. Feiern kann man den eigenen Geburtstag und den Tauftag, den Jahrestag der Konfirmation oder der Firmung, den Hochzeitstag und das berufliche Jubiläum auch wenn es ein "unrundes" ist, an das niemand sonst denkt. Man kann alljährlich das Datum einer schwierigen Operation feiern, die einen millimetergenau dem Tode entrissen hat oder ein neues, gutes Untersuchungsergebnis. Lustvoll ist, sich an das erotische "erste" Mal mit dem geliebten Partner zu erinnern und daraus gemeinsam einen zärtlichen Abend zu machen. Man kann das Entstehen von Freundschaften feiern, eine gelungene Arbeit oder einfach, dass Freitagnachmittag ist. Warum sich nicht kugeln vor Wonne über den letzten Schnee und die ersten Tulpen? "Das müssen wir feiern!" ist ein Ruf, den meine Ohren gerne hören.
Um keinen Anlass ungenutzt verstreichen zu lassen, empfiehlt es sich, am Jahresanfang im Kalender die entsprechenden "Termine" einzutragen. Zusammen mit dem weltlichen und dem kirchlichen Jahr (Advent, Weihnachten, Jahreswechsel, Ostern, Himmelfahrt, Pfingsten, Erntedank...) kommt ein hübsches Sümmchen festlicher Anlässe zusammen.
Es muss nicht unbedingt der große Champagnerempfang sein, mit dem "gejubelt" wird. Ein liebevolles Abendessen oder ein gemütliches Frühstück, der Besuch in einer eleganten Bar oder ein Spaziergang im Tierpark, Kerzen um die Badewanne, ein kleines Geschenk, grüner Tee mit Honig oder ein freier Nachmittag das alles hebt entschieden die eigene Lebensfreude und die derer, die eingeladen sind, kräftig oder leise mitzufeiern.
Feiern wir also unser Leben. Wir haben nur das eine.
Das meinen Leserinnen und Leser
Zu meinem 40. habe ich mich "abgeseilt" und ihn als Sprecher auf einer Sportveranstaltung verbracht. Die Kritik meiner Mutter bekomme ich immer noch aufgewärmt. Aber: Der Geburtstag soll doch dem Geburtstagskind gehören. Da passt es nicht, den ganzen Tag Gerenne zu haben und dann zu warten, bis der letzte Sesselkleber rebenschwer den Weg zum Ausgang findet.
Joachim Bochberg, 43 Jahre,
Langenfeld
Meinen 40. haben wir zu fünft bei einem Picknick auf der Pfaueninsel gefeiert, den 50. meines Partners zu zweit vor dem Schloss Sanssouci begossen. Zwei unvergessliche Tage!
Betti B. Witt, 40 Jahre,
Berlin
Einmal hatte ich einen Abschied hinter mir und war zu traurig zum Feiern. Zwei Jahre später hatte ein WG-Mitbewohner mit mir Geburtstag. Da haben wir ein großes Fest gemacht. Ich betrachte meinen Geburtstag als Chance zum Feiern, aber nicht als Zwang. Schließlich geht es um meine Geburt und mein Leben.
Phöbe Häcker, 26 Jahre,
Tübingen
An meinem fünfzigsten Geburtstag bin ich mit meiner Tochter in den Zoo gegangen. Ohne Besucherstress und Vorbereitungen Geburtstag feiern, das ist die reine Erholung!
Karin Poeck, 54 Jahre,
Münster/Roxel
Zu meinem 50. habe ich mir vorgenommen, endlich allein zu verreisen und mir meinen Kindertraum eine Reise mit einem Frachtschiff von Hamburg nach Singapur zu erfüllen. Damit das einmal im Leben klappt, arbeite ich jetzt schon darauf hin, indem ich es immer wieder erwähne. Noch stoße ich auf großes Unverständnis; aber diesmal gebe ich nicht nach.
Angelika Hassfurter,
43 Jahre, München
Frohe Stimmung stellt sich am Geburtstag nicht automatisch ein. Ohne die eigenen Kinder feiern zu müssen oder Trauer nach verlorener Partnerschaft trüben diesen an sich schönen Tag. Darüber hilft auch die Fürsorge der Freunde und Kollegen wenig hinweg. Deshalb sollte jeder das Recht haben, den Geburtstag so zu gestalten, wie er will.
Bernhard Krüger, 38 Jahre,
Dresden
Es war für mich ein unvergessliches Erlebnis, meinen 60. Geburtstag mit Familie, Freunden und Kollegen zu feiern. Einfach wegzufahren, zu flüchten wovor eigentlich? hätte einen großen Verlust bedeutet. Verreisen kann man oft, Geburtstag feiern aber nur ein Mal im Jahr.
Hermann Holzbach,
60 Jahre, Wietze
Wochen vor dem 50. überkam mich Unruhe. Meine Frau und Freunde wollten eine Feier für mich ausrichten. Nur ich konnte mich nicht entscheiden. Dann buchte ich einen Flug nach Lanzarote. Ich bin in einer Vulkanlandschaft mit mir und der Natur, mit dem Wind und dem Wasser zusammen gewesen. Ich fühlte mich aufgehoben und umsorgt. Ich mit mir zusammen.
Rüdiger Henking, 50 Jahre,
Berlin
Immer hab ich Kinder, Enkel, Freunde am Geburtstag eingeladen. Jetzt merke ich, dass ich mir wünsche, dass meine Kinder mich abwechselnd zu sich einladen oder ich mit meinem Partner einen Ausflug oder gar eine Reise machen kann.
Helga Specht, 73 Jahre,
Göttingen
Im Vertrauen
Jeden Monat laden wir Sie, liebe Leserinnen und Leser, ein, uns Ihre Erfahrungen zu einem vorgegebenen Thema mitzuteilen. Schildern Sie Erlebnisse und Begegnungen, lassen Sie uns an Ihren Beobachtungen teilhaben!
Das Thema für Mai: Sollten wir manche Weisheiten lieber vergessen? "Man muss nur wollen" heißt es, wenn einer sich hängen lässt. Zeigt sich endlich Licht am Horizont, warnt bestimmt jemand: "Freu dich nicht zu früh!" Und gibt es einen Erfolg zu vermelden, weiß bestimmt einer, dass "Eigenlob stinkt". Sind Spruchweisheiten noch zu gebrauchen?
Zu diesem Thema schreiben Sie uns bitte, mit Angabe Ihres Alters, bis zum 31. März
chrismon
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Verzwickte Fragen aus dem Alltag sie reizen zur schnellen Antwort und lassen einem doch keine Ruhe. Leserinnen und Leser sowie eine Expertin wagen sich an eine Lösung. SUSANNE BREIT-KESSLER ist gelernte Theologin und Journalistin. Heute wirkt sie als Regionalbischöfin in München
Man kann das Glas auch auf Abwesende heben: "Prost Mama, wo immer du jetzt bist!"