Ehrenamt Wahlhelferin
"Ich wollte wissen, wie das läuft"
Gertrud Klinken (65) arbeitet in Aachen ehrenamtlich als Wahlhelferin. Dort erlebt sie neben viel Bürokratie auch lustige Situationen
Ehrenamt Wahlhelferin Gertrud Klinken
Gertrud Klinken im Wahlbüro
Matthias Jung
Tim Wegner
14.11.2025
3Min

Was machen Sie?

Gertrud Klinken: Ich bin Wahlhelferin. Am Wahltag helfe ich beim Aufbau, dann bilden wir zwei Schichten, während der wir bei der Stimmabgabe aufpassen, dass alles korrekt abläuft. Und abends treffen wir uns alle wieder zur Auszählung. Das kann schon mal bis 23 Uhr gehen.

Wie sind Sie dazu gekommen?

Ich war jung, noch nicht oft wählen gewesen und neugierig, wie das abläuft. Schon war ich im Team. Damals war das Wahllokal in dem Haus, in dem ich wohnte. Das hat den Einstieg noch einfacher gemacht! Seit 42 Jahren bin ich dabei. Nur zwei Mal habe ich ausgesetzt!

Warum machen Sie das?

Ich wollte von Jugend an was für die Öffentlichkeit tun und Wahlhelfer ist nicht so aufwendig.

Wie viel Zeit investieren Sie dafür?

Den Wahltag und hin und wieder eine Fortbildung.

Wie bereitet man sich vor?

Mit einer Schulung – die ist freiwillig, aber ich finde sie ratsam. Oder man wird vom Wahlvorstand eingearbeitet.

Wie läuft so ein Wahltag ab?

Um kurz nach sieben richten wir das Wahllokal ein: die Tische, die Urne, alle nötigen Unterlagen. Meist ist alles gut vorbereitet, manchmal fehlen Kleinigkeiten wie Stifte. Einmal hatten wir den falschen Ordner, er enthielt die Stimmberechtigten des Nachbarbezirks. Aber das war mit einem Anruf schnell gelöst. Ab acht Uhr öffnen wir das Wahllokal. Kommen Wählende, schauen wir, ob sie in diesem Bezirk zugelassen sind, gleichen die Wahlbriefe mit den Ausweisen ab und achten darauf, dass die Wahl wirklich frei und geheim ist. Um 18 Uhr schließen wir nur kurz, um alles für die Auszählung umzustellen. Den die ist ja immer öffentlich! Wenn ich Wahlvorstand bin, behalte ich den Überblick über alle Abläufe und habe die Verantwortung, die Ergebnisse und Dokumente nach der Auszählung abzuliefern.

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Was ist schön?

Die Familien mit kleinen Kindern, die so wissbegierig sind. Bis sie eingeschult werden, dürfen sie mit in die Kabine. Schulkinder nicht mehr, sie könnten ja lesen und die geheime Wahl ausplaudern. Dafür bekommen sie entwertete Stimmzettel zum Ausmalen und Ausfüllen und sind ganz stolz, dass sie "selbst abstimmen". Viele bedanken sich für unser Engagement, das ist auch schön. Und ein netter Nebeneffekt: Irgendwann kennen dich die Leute vom Sehen.

"Die Mutter Oberin fuhr mit dem Auto nach und nach die Senioren zum Wahllokal, bis alle dran waren"

Passiert auch mal was Lustiges?

Eine Bundestagswahl im Januar, da habe ich noch in Essen gewohnt. Es war wirklich alles klirrend Schnee und Eis. Auf einer Anhöhe war ein Altenheim für Nonnen. Die Mutter Oberin, dick in Skihose und Parka gemummelt, fuhr mit dem Auto nach und nach alle ihre Schäfchen zum Wahllokal und zurück, den ganzen Tag hin und her, bis alle dran waren.

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Was kann anstrengend sein?

Die Bürokratie. Der Aufwand hat unglaublich zugenommen. Es ist genau vorgeschrieben, in welcher Reihenfolge die Stimmen ausgezählt werden. Um es uns einfacher zu machen, sind ihnen Farben zugeordnet. Pro Stimmfarbe müssen wir mittlerweile sieben bis vierzehn Seiten ausfüllen, zum Beispiel, wie viele Stimmen abgegeben wurden, von wie vielen Stimmberechtigten, wie viele Briefwahl gemacht haben. Dann müssen alle Wahlhelfer alles unterschreiben. Bei der Kommunalwahl hier waren es fünf Stimmzettel, also fünf Farben.

Was hatten Sie vorher nicht erwartet?

Wie speziell manche Wählenden sind: Manche wollen nicht einsehen, dass während der Stimmabgabe im Wahllokal keine Fotos gemacht werden dürfen. Andere wollen jemanden ohne Vollmachten in die Wahlkabine begleiten – was nicht erlaubt ist. Bei den Integrationswahlen in Aachen kommen immer wieder Männer mit den Stimmzetteln sämtlicher Familienmitglieder und bestehen darauf, für alle zu wählen – geht natürlich auch nicht.

Wie ist die Stimmung beim Auszählen?

Es kommt darauf an, wie erfahren oder unerfahren die Mehrheit der Helfer ist, je nachdem wird viel erklärt. Wir stellen um und öffnen die Urne. Dann herrscht eher Schweigen. Wir zählen und füllen die Formulare aus, jeder arbeitet still. Manchmal schauen Leute vorbei. Einmal war eine ganze zehnte Klasse da. Das hat mich gefreut!

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