Krieg im Nahen Osten
Wenig Vertrauen in die eigene Regierung
Ob die Waffenruhe zwischen Iran und Israel hält, ist weiter unklar. Was denken Iranerinnen und Iraner über Israels Angriff, worauf hoffen sie?
A security guard stands on a street, during early hours of ceasefire, in Tehran
Eine Sicherheitskraft steht an einer Straße in Teheran am 24. Juni 2025
Majid Asgaripour / Reuters / picture alliance
Lena Uphoff
25.06.2025
3Min

chrismon: Wie geht es den Menschen im Iran?

Farhad Ahmadi: Die Situation ist derzeit sehr dynamisch. Ständig ändert sich etwas, so dass die Iraner nervös und innerlich schwankend sind. Einerseits empfinden viele Menschen mit den Angriffen Israels auch Hoffnung. Andererseits fürchten sie sich vor einer Ausweitung des Krieges.

Farhad Ahmadi

ist ein Pseudonym. Er ist Exil-Iraner, war als Student in der Opposition und verbrachte deswegen einige Jahre im Gefängnis in Iran. Auch von Deutschland aus beteiligte er sich an der oppositionellen Arbeit. Er beobachtet das politische Geschehen in seinem Heimatland intensiv und steht ständig mit seiner Familie dort in Kontakt. Aus Sicherheitsgründen möchte er anonym bleiben. Sein Name ist der Redaktion bekannt.

Auf was hoffen die Menschen?

Es gibt etwa 15 bis 20 Prozent Regimetreue im Iran. Dann etwa 20 Prozent Oppositionelle und um die 60 Prozent, die sich ruhig verhalten, aber sicher mit der derzeitigen Situation nicht zufrieden sind. Viele Iranerinnen und Iraner haben mit den Angriffen Israels die Hoffnung auf einen Regierungswechsel verbunden. Es gab in der Vergangenheit viele Versuche, diesen von innen herbeizuführen, aber das islamistische Regime hat alle Versuche brutal erdrückt. Es gibt also derzeit wenig Hoffnung, von selbst einen Regierungswechsel herbeiführen zu können. Viele haben gehofft, dass Druck von außen dabei hilft.

Fürchten die Menschen sich nicht auch vor den Angriffen Israels?

Das sicher auch. Aber sie haben mehr Vertrauen in die Präzision der israelischen Armee als in ihre eigene Regierung. Es gibt unterschiedliche Angaben, aber die israelischen Angriffe haben schätzungsweise zwischen 300 und 500 zivile Todesopfer gefordert. Das ist natürlich schrecklich. Aber vergleichen Sie es mit den um die 1500 Menschen, die die eigene Regierung bei den Aufständen 2019 in nur zwei Wochen ermordet hat – in einer Zeit, in der das Internet abgestellt worden war und die Nachrichten davon schwer nach draußen drangen.

Vor was fürchten sich die Menschen denn?

Sie fürchten sich vor dem Chaos, das ein Regierungswechsel bedeuten könnte, und davor, dass die israelischen Angriffe sich ausweiten und die Raffinerien und die Infrastruktur zerstören könnten. Und davon, dass das derzeitige Regime noch brutaler herrscht als bisher.

Wie sieht denn das Leben im Iran derzeit aus?

Das normale Leben hat sich nicht viel geändert – außer in Teheran. Dort sind sieben bis acht Millionen Menschen aus der Stadt geflohen. Die Straßen sind sehr eng, und auch bei präzisen Angriffen Israels kann es dort zu schlimmen Folgen kommen. Aber in den anderen Teilen des Landes geht das Leben meist recht normal weiter.

Gibt es keine Einschränkungen des Alltags?

Es gab Engpässe bei der Brotversorgung und auch beim Kraftstoff, und das Internet wurde teilweise abgestellt. Aber sonst nicht – außer den vielen Kontrollen.

Für was sind diese Kontrollen?

Die islamistische Regierung setzt brutale Milizen ein, die die Straßen kontrollieren. Sie sollen dem Volk signalisieren, dass jeder Versuch eines Aufstands im Keim erstickt würde. So haben die Menschen große Angst vor Bestrafung.

Denken Sie denn, die Hoffnung auf einen Regierungswechsel ist berechtigt?

Es gibt jedenfalls keine oppositionellen Strukturen im Land. Keine Führungsfigur, die die Opposition anführen könnte. Aber die Menschen im Iran erinnern sich an die Islamische Revolution gegen die Herrschaft des Schahs. Damals, 1979, wurde der Ajatollah Khomeini auch innerhalb von wenigen Monaten zu einer Führungsfigur.

Falls die Waffenruhe hält, wie könnte das Leben im Iran weitergehen?

Eine Angst, die viele Menschen im Iran haben, ist, dass ein erniedrigtes und geschwächtes Regime umso härter und brutaler gegen das eigene Volk vorgeht. Eine Verbesserung der Situation für die Iranerinnen und Iraner oder gar doch noch ein Regierungswechsel – sei es durch Aufstand, Militärputsch oder einen Reformkurs der Regierung – ist fast auszuschließen.

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