Fast vier Minuten habe ich in der U-Bahn in mein Handy geredet. Im Augenwinkel sehe ich, wie die Haken hinter meiner Sprachnachricht auf Blau springen: Blau heißt, meine beste Freundin hat die Nachricht wahrgenommen. Hoffentlich ist sie jetzt nicht genervt, dass sie fast vier Minuten abhören muss, aber es wäre für mich anstrengender, in der U-Bahn einen langen Text zu tippen, was alles passiert ist an diesem Tag. Als ich den Chat mit ihr schließe, ploppen fünf neue Konversationen auf.
Freundschaften zu pflegen, erfordert Mühe, das war schon immer so. Nur kommt es mir auf dem Nachhauseweg so vor, als würden die Menschen, die mit Smartphones groß werden, besonders hilflos vor dieser Aufgabe stehen. Privates und Berufliches auf einem Gerät, wie an meine rechte Hand festgeschweißt. Nie offline sein stresst mich. Und doch kann ich es nicht ändern. Momentan leben viele meiner Freunde wegen der Ausbildung in anderen Städten oder reisen um die Welt – auch drei sehr enge Freundinnen. Mit ihnen zu telefonieren, ist wegen der Zeitverschiebung schwierig. Und alle haben zu unterschiedlichen Zeiten ihre beruflichen und sonstigen Termine.
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Ich habe Sehnsucht nach authentischer Kommunikation, ich bin das Chatten leid! Mein Gefühl deckt sich mit dem Ergebnis der Studie "Freundschaften im echten Leben: Real Life vs. Social Media" von der Stiftung für Zukunftsfragen: Bei den unter 35-Jährigen trifft sich nur noch jede dritte Person (32 Prozent) mindestens einmal in der Woche mit Freunden und Freundinnen, während es 2004 noch 56 Prozent gewesen sind. Meine Generation ist dabei, sich komplett selbst zu isolieren.
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