Ältere haben immer die Nase über die nachfolgenden Generationen gerümpft. Hätten wir heute auch noch Anlass, uns über die Jungen aufzuregen?
Stephan Grünewald: Den klassischen Generationskonflikt gibt es nicht mehr. Die heutige Elterngeneration befindet sich in Teilen selbst in einem Jugendwahn und blickt deshalb wohlwollend bis neidisch auf die Jungen. Umgekehrt sind die jungen Leute an Harmonie interessiert, zur Hochphase von Fridays for Future war das sehr gut zu beobachten. Damals hätte man am liebsten Händchen haltend mit Lehrern, Großeltern und Eltern demonstriert. Nach dem Motto: Wir machen den Weckruf, die Erwachsenen müssen es regeln. Das erzählt viel über eine Grundangst der jungen Generation, die wir seit mehr als zehn Jahren und bis heute beobachten.
Worin besteht diese Angst?
Dass das familiäre System auseinanderbrechen könnte. Das treibt die jungen Leute seit Kindheitstagen um, weil sie es entweder selbst oder in ihrem Umfeld erleben – mit Patchwork-Verhältnissen, alleinerziehenden Müttern, desertierenden Vätern. Deshalb ist die Jugend eher systemstabilisierend unterwegs und tut viel für den inneren Zusammenhalt der Familie. Da fällt mitunter sogar die Pubertätsrevolte aus. Aber nun ist in unserer aktuellen Jugendstudie noch ein zentraler Befund hinzugekommen: Die Jugend erlebt ein großes Verlorenheitsgefühl.
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Die Studie "GenZ 2024 – Generation Überdruck"
Für die Studie, die im Auftrag des Verbandes der Chemischen Industrie durchgeführt wurde, haben Mitarbeitende von "rheingold" zunächst 64 Menschen im Alter von 16 bis 24 Jahren intensiv über zwei Stunden befragt. Die Ergebnisse aus diesen qualitativen Interviews bieten für sich genommen aber noch kein repräsentatives Bild. Deshalb wurden zusätzlich in einer quantitativen Online-Umfrage im August 2024 1233 Teilnehmende mittels eines Online-Fragebogens zu den relevantesten Ergebnissen aus den tiefenpsychologischen Interviews befragt. Diese doppelte Validierung hat die Erkenntnisse aus den 64 Interviews abgesichert. Die Stichprobe mit 1233 Teilnehmenden war nach Angaben von "rheingold" bundesweit repräsentativ für die in Deutschland lebenden 16- bis 24-Jährigen.