Robert Habeck, Vizekanzler und Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz
Robert Habeck hat in seiner Rede die richtigen Worte zur richtigen Zeit gefunden.
Soeren Stache/dpa/picture alliance
Antisemitismus
Der Glaube an die Kraft der Worte
Warum die Rede von Robert Habeck zum Antisemitismus in Deutschland eine große Chance für die politische Kultur ist
Tim Wegner
03.11.2023
3Min

Robert Habeck hat einen Nerv getroffen. Keine zehn Minuten dauert die Rede des Bundeswirtschaftsministers und Vizekanzlers, in der er schlüssig die Haltung der Bundesregierung zum Angriff der Hamas auf Israel erklärt und hart mit Antisemiten ins Gericht geht. Habecks Worte sind wohl gewählt, seine Ansprache ist klug aufgebaut. Er schont niemanden, auch nicht die Judenfeinde im linken Lager, unter denen sich vermutlich auch Anhänger der Grünen tummeln. Der Minister ist klar, man meint zu spüren, dass er lange nach den richtigen Worten gesucht hat. Schade ist nur, dass er die Rede nur in eine Kamera spricht. Der Bundestag wäre auch ein perfekter Ort gewesen.

Tim Wegner

Nils Husmann

Nils Husmann ist Redakteur und interessiert sich besonders für die Themen Umwelt, Klimakrise und Energiewende. Er studierte Politikwissenschaft und Journalistik an der Uni Leipzig und in Växjö, Schweden. Nach dem Volontariat 2003 bis 2005 bei der "Leipziger Volkszeitung" kam er zu chrismon.

Interessant sind die Reaktionen. Robert Habeck, in den vergangenen Monaten oft verlacht und angefeindet, wird gefeiert. Das Video wurde millionenfach geklickt. Auch die Opposition zollt dem Minister Respekt. Das Medienecho ist enorm. Dass Robert Habeck ein guter Redner sein kann, ist nicht neu. Aber warum sind ausgerechnet diesmal so viele Menschen von ihm begeistert?

Die entscheidenden Sätze sagt Robert Habeck gleich zu Beginn: Die Lage sei verworren, und er, Robert Habeck, wolle helfen, sie zu entwirren. Man kann auch sagen: Da steht ein Mensch, der in Ruhe eine (unverhandelbare) Haltung erklären, eine Richtung vorgeben und Orientierung stiften möchte. Er hat sich dafür ein Format gewählt, in dem niemand – wie in einer Talkshow – dazwischen rufen kann. Und vielleicht ist es genau das, was diesem Land, ja sogar allen westlichen Demokratien fehlt, die von den politischen Rändern her so sehr unter Druck geraten: Klarheit, Ruhe, Orientierung.

Ich erinnere mich nur an eine andere Ansprache, die in den vergangenen Jahren ähnlich gefeiert wurde – es war die Erklärung Angela Merkels zu Beginn der Corona-Krise mit den berühmten Worten: "Es ist ernst. Nehmen sie es auch ernst!" Ihre anderen berühmten Worte – "Wir schaffen das!" – fielen auf einer Pressekonferenz und gerieten wohl auch deshalb später (und bis heute) zum Zankapfel, weil Merkel es versäumte, diesen Satz noch einmal aufzugreifen und genau zu erklären.

Der Erfolg von Habecks Rede kann eine riesige politische Chance sein. Nicht nur für die notorisch zerstrittene Ampel, sondern auch für die Union, die keine Erzählung anzubieten hat, wofür sie eigentlich steht. Will sie die gemäßigte Kopie der AfD werden? Oder doch lieber ausbuchstabieren, was "christlich" und "konservativ" im Jahr 2023 bedeuten können? Ähnliches gilt für die politische Linke in Deutschland.

Habecks Worte sind eine Chance für die gesamte politische Kultur, also für uns alle. Dass wir lernen und uns die Zeit nehmen, zu einer Haltung zu kommen. Und dass wir an die Kraft der Worte und Argumente glauben und uns nicht immer von denen treiben lassen, die am lautesten dazwischen brüllen.

Es ist schwierig, Rückschlüsse von einer wohl begründeten Haltung zum Antisemitismus auf andere Politikfelder zu ziehen, muss der Antisemitismus doch zurecht unverhandelbar sein und bleiben. Und doch: Das ganze politische Leben scheint "verworren" zu sein, die Krisen allumfassend – Kriege, der Klimawandel, die Energiewende, Europa, Inflation, soziale Ungleichheit und vieles mehr. Ich wünsche mir auch zu diesen Themen Worte, die Orientierung stiften. Von Robert Habeck. Aber gern auch von vielen anderen schlauen Menschen.

Die Kommentarfunktion ist nur noch für registrierte Nutzer verfügbar. Um einen Leserkommentar schreiben zu können, schließen Sie bitte ein Abo ab, schreiben Sie uns eine Mail an leserpost@chrismon.de oder diskutieren Sie auf Instagram, Facebook und LinkedIn mit.
Permalink

Wieviel kann solch eine Rede wert sein, wenn sie keine Demut / kein wirklich-wahrhaftiges Verantwortungsbewusstsein inne hat, denn die URSACHE aller Probleme unseres konfusen "Zusammenlebens" in gleichermaßen unverarbeitet-gepflegter Bewusstseinsschwäche und somit stumpf-, blöd- und/oder wahnsinnigen Feindbildern, ist der nun "freiheitliche" WETTBEWERB um die Deutungshoheit der globalen menschenUNwürdigen Hierarchie in heuchlerisch-verlogener Schuld- und Sündenbocksuche, eine Hierarchie von/zu eines zeitgeistlich-reformistischen Kreislauf des stets gleichen imperialistisch-faschistischen Erbensystems, wo dem Mammon der manipulativ-schwankenden "Werteordnung" stets vorrangig die Kapitulation als unausweichlich aus- und zugesprochen wird!?

Permalink

Johann Wolfgang von Goethe würde dazu sagen: "Die Worte hört ich wohl, allein mir fehlt der Glaube!" Denn es hat ein Politiker gesprochen, immer wieder auf der Suche nach Anhängern und Wählern. Denn die Grünen stehen schlecht da und da bedarf es schon einmal einiger markigen Worte.
Es wäre ein neues Wunder, wenn die Worte einen guten Beitrag zu der jetzigen verworrenen Situation leisten würden.

Permalink

Wir haben vom Bodensatz des alten Antisemitismus genug.  Es wird niemand bestreiten, dass die Kultur eines Landes und dessen Gesellschaft untrennbar nur mit den Menschen verbunden ist. Wandern Menschen, dann geht mit ihnen auch ihre Kultur. Ohne sie ist das alte Land leer. Es haben alle "Einlader" gewußt, dass sie nicht nur die Menschen, sondern auch deren Kultur, Gefühle, Stolz, Hass, Schleier, Burkas und ihre Gene bekommen. Sie haben alles und alle als eine Bereicherung bezeichnet. Und jetzt sind sie entsetzt, dass ihre himmelhochjauchzenden Erwartungen nicht wie gewünscht erfüllt werden. Dass die fremde Kultur bei uns eigene Erwartungen erfüllen will, ist doch keine Überraschung! Wir haben naiv den arabischen Judenhass importiert. Und das alles wollen sie nicht gewusst haben? Ein Blick in andere Länder und dann in den eigenen Spiegel hätte genügt! Mit der Kraft der Worte wurde das tolerant provoziert, was sie jetzt beklagen. HEUCHLER!