Die zögerliche Helferin
Die zögerliche Helferin
Kati Szilagyi
Die zögerliche Helferin
Stefanie Schardien, Pfarrerin in Fürth und "Wort zum Sonntag"-Sprecherin, beantwortet für chrismon jeden Monat kniffelige Lebensfragen.
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27.04.2022

Claudia S. aus Berlin fragt:

"So viele Menschen sind aus der Ukraine geflohen! Ich finde ja, die sollten würdig untergebracht werden, nicht in Turnhallen. Freundinnen und Bekannte nehmen Geflüchtete bei sich zu Hause auf. Ich habe genug Platz, kann mir das aber nicht vorstellen. Gleichzeitig fühle ich mich unsolidarisch, wenn ich das nicht tue."

Stefanie Schardien antwortet:

Die gute Nachricht vorweg: Was für eine unfassbare Hilfsbereitschaft in unserem Land – und das nach zwei Jahren Pandemie. Chapeau, liebes Deutschland! Dass Sie im Bekanntenkreis er­leben, dass andere im Unterschied zu Ihnen auch bereit sind, geflüchtete Menschen bei sich aufzunehmen, macht Ihnen nun ein schlechtes Gewissen. Denn natürlich kommt in vielen von uns gerade die Frage auf, die sich aus der biblischen goldenen Regel stellt: Wäre ich selbst auf der Flucht auch extrem dankbar für jede Tür, die sich öffnet, und für jedes bezogene Bett?

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Stefanie Schardien

Stefanie Schardien wurde 1976 in Dortmund geboren und wuchs in der Herzlichkeit des Ruhrgebiets auf. Studium und Beruf führten sie an mehrere Orte: nach Heidelberg, Toronto und Bochum, zum Vikariat nach Hattingen/Ruhr, mit einer Juniorprofessur für Systematische Theologie an die Universität Hildesheim und als Kindergottesdienstpfarrerin nach Nürnberg Als Pfarrerin der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern arbeitet sie seit 2016 im Team der Kirchengemeinde St. Michael in der Fürther Altstadt. Für Stefanie Schardien verbinden sich an diesem Ort die besten Eigenschaften von "Citykirche und Dorfgemeinde": "Die Gemeinde hat einen fröhlichen weiten Geist, der viel Kreativität ermöglicht; und gleichzeitig kennt man sich und kümmert sich umeinander." Den Sinn ihrer Arbeit sieht sie darin, gemeinsam den religiösen Fragen nachzugehen und die Antwortversuche des Glaubens zu übersetzen. Und dabei immer wieder auch von der christlichen Freiheit zu erzählen. "Denn die kann es mit all der Angst aufnehmen, die im Moment geschürt wird." Schardien ist überzeugt, dass viele Menschen großes Interesse an Themen haben, mit denen sich Theologie und Kirche beschäftigen. Darum verlässt sie auch gern einmal die Kirchenmauern: Seit langem ist sie für das Radio tätig, aktuell mit Evangelischen Morgenfeiern auf BR 1, und engagiert sich als Präsidiumsmitglied beim Deutschen Evangelischen Kirchentag.

So überlegen gerade viele Menschen: Kann ich jemanden aufnehmen oder überfordert mich das? Es gibt unterschiedlichste Gründe, sich wie Sie zu entscheiden: Man braucht einen privaten Rückzugsort oder ist grundsätzlich eher zurück­haltend gegenüber fremden Menschen. Man ist beruflich eingespannt und wagt keine zusätzliche Verantwortung zu übernehmen. Man fürchtet sich, beizeiten ­wieder um den Auszug bitten zu müssen. Manche Befürchtungen ließen sich durch die Anlaufstellen vermutlich auflösen. Bleibt es aber nun für Sie auch nach so ­einer zweiten Überlegungs­schleife bei Ihrem Entschluss, ist das Ihr gutes Recht. Und Ihren Wunsch nach solidarischem ­Handeln leben Sie dann einfach nach Kräften in den zahlreichen Hilfs­angeboten vor Ort aus.

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