Thoeun Theap, 46:
Bei uns in Kambodscha sind Landminen ein riesiges Problem – nirgendwo gibt es mehr Tote und Verletzte bei Unfällen damit als hier. Etwa sechs Millionen Minen und Bombenblindgänger liegen hier noch in der Erde. Als kleiner Junge konnte ich nichts dagegen tun. Damals war ich mit meiner Mutter und meinem Bruder auf der Flucht vor den Roten Khmer. Meinen Vater hatten sie bereits umgebracht, ich habe ihn nie kennengelernt. Meine Mutter hatte auf der Flucht viel Angst, dass einer von uns auf eine Mine tritt. Als Erwachsener wollte ich dafür sorgen, dass sich niemand mehr davor fürchten muss. Deswegen habe ich erst bei der staatlichen Minenräumbehörde gearbeitet. Heute bin ich bei der belgischen Nichtregierungsorganisation Apopo.
Wir suchen Minen mit Ratten, und zwar mit der afrikanischen Riesenhamsterratte. Sie ist so leicht, dass sie durch Minenfelder laufen kann, ohne Explosionen auszulösen. Wir trainieren sie darauf, den Sprengstoff zu erschnüffeln. Die Tiere haben eine so feine Nase, dass sie Minen bis zu 20 Zentimeter unter der Erde finden!
Die Ausbildung pro Ratte kostet 6000 Euro
Es kostet umgerechnet 6000 Euro, eine Ratte zu trainieren. Wir trainieren so intensiv, weil wir ganz sicher sein müssen, dass nach der Ausbildung jedes Tier jede Mine findet. Das Training dauert neun Monate und läuft in mehreren Phasen ab. Wir benutzen dazu einen Klicker, der ein Klackgeräusch macht, und das Lieblingsessen der Ratten – zum Beispiel Bananen.
Nach ihrer Ausbildung sind sie dann richtig schnell: Eine Ratte kann in einer halben Stunde einen Bereich so groß wie ein Tennisplatz absuchen. Ein Mensch mit einem Metalldetektor würde dafür vier Tage brauchen. Wir arbeiten früh morgens für drei bis vier Stunden mit den Ratten, wenn es noch nicht so heiß ist. Sie zeigen uns, wo die Minen sind, indem sie an der Stelle graben. Danach werden sie immer mit Futter belohnt.
Und wir holen die Minen dann aus der Erde. Zum Räumen haben wir besonders ausgebildete Personen. Aber der Job bleibt natürlich gefährlich. Am Ende werden die Minen kontrolliert gesprengt. Das heißt, der Sprengplatz wird weiträumig abgesperrt, damit keiner verletzt wird, und wir lösen noch einen zusätzlich angebrachten Sprengsatz aus.
Jede Ratte hat eine eigene Persönlichkeit
Manche Menschen finden ja Ratten eklig – ich überhaupt nicht. Sie sind so freundlich und ruhig. Außerdem untersuchen unsere Tierärzte sie regelmäßig, sie sind also gesund. Uns ist wichtig, dass es den Tieren gut geht.
Ich mag sie auch, weil sie so clever sind. Und die Ratten haben alle eine eigene Persönlichkeit, fast ein bisschen wie Menschen: Manche laufen schneller, manche langsamer, manche quieken aufgeregt, wenn sie gefüttert werden, andere bleiben gelassen.
Die Menschen in Kambodscha sind sehr dankbar, dass die Tiere uns dabei helfen, die Minen zu räumen. Ihretwegen können die Kinder zur Schule gehen und unbeschwert spielen. Außerdem können wir das geräumte Gebiet an arme Menschen ohne Land übergeben. Sie bauen dann dort Gemüse an. Oft kommen die Menschen schon, während wir noch auf der Fläche arbeiten, und fragen, wann sie endlich auf das Land können.
Das Tückische an Landminen ist ja: Einige wenige reichen, dass sich viele Menschen fürchten. Wenn eine Familie mal hinter ihrem Haus eine Landmine gefunden hat, wird keiner mehr in das Gebiet gehen. Wir sehen einfach jeden Tag, welche grauenhaften Verletzungen die Explosionen verursachen. Viele Menschen haben hier Arme oder Beine verloren. Und fast die Hälfte der Opfer sind Kinder. Es gibt nämlich auch Landminen, die wie Spielzeuge aussehen und deswegen oft von Kindern aufgehoben werden. Es ist schwer, in Kambodscha mit nur einem Bein oder Arm zurechtzukommen.
Alte Ratten kriegen bei uns ihr Gnadenbrot
Im Moment haben wir 57 "Hero-Rats", wie wir sie nennen, bei uns im Einsatz. Sie arbeiten vier bis fünf Jahre, danach kriegen sie bei uns ihr Gnadenbrot. Gerade ist einer unserer Stars in Rente gegangen – Magawa. Er hat als erste Ratte die höchste zivile britische Tapferkeitsauszeichnung für Tiere bekommen. Die haben vorher nur Hunde gekriegt. Wir haben ihm die kleine Goldmedaille an sein Brustgeschirr gehängt und sind richtig stolz auf ihn.
Protokoll: Julia Weigelt