chrismon: Ich möchte, dass ein Teil meines Erbes der Allgemeinheit zugutekommt. Wie gehe ich das an?
Torsten Sternberg: Überlegen Sie in Ruhe: Was ist mir wichtig? Wofür engagiere ich mich? Wer braucht finanzielle Unterstützung?
Unsere Kirchengemeinde kümmert sich um Flüchtlinge. Das ist ein gutes Projekt!
Dann wenden Sie sich an den Pfarrer oder die Pfarrerin und besprechen, ob das Geld da gebraucht wird und wie Sie das im Testament am besten formulieren. Dort bekommen Sie auch Kontakt zu kirchlichen Fachleuten, die Sie gezielt beraten. Was ist zum Beispiel, wenn dieses Projekt ausläuft? Dürfte die Gemeinde mit Ihrem Geld dann auch einen Mittagstisch für Obdachlose finanzieren? Macht eine Spende an die Diakonie oder Brot für die Welt mehr Sinn als an eine einzelne Gemeinde?
Torsten Sternberg
Was passiert, wenn ich gar kein Testament mache?
Sollte es keine Erben geben, geht alles an den Staat. Das ist gar nicht so selten. Ansonsten regelt die gesetzliche Erbfolge klar, wer was bekommt. An erster Stelle stehen der/die Ehepartner:in und die Kinder. Deren Teil wird unter ihnen aufgeteilt.
Klingt doch gut. Klar und gerecht. Dann zerstreiten sich die Erben wenigstens nicht.
Gerechtigkeit ist relativ. Ist es eine gute Lösung, wenn beide Söhne genau die Hälfte bekommen, obwohl der eine wohlhabend ist und der andere kaum seine Miete zahlen kann? Erbstreitigkeiten entzünden sich zudem oft an anderen, kleinen Dingen. Ich habe eine Frau beraten, die seit zwanzig Jahren nicht mehr mit ihrer älteren Schwester spricht. Nach dem Tod der Mutter war die Schwester durch das Haus gegangen und hatte unter anderem einen goldfarbenen Kinderwecker von der Küchenanrichte mitgenommen. Er war vielleicht fünfzig Cent wert. Die Jüngere aber hing an dem, weil sie ihn als Kind immer im Blick hatte, wenn die Familie zusammen am Essenstisch saß. Es kränkte sie sehr, dass die Schwester das nicht ernst nahm. Darüber gerieten die beiden in einen so heftigen Streit, dass sie den Kontakt abbrachen.
Aber ich kann im Testament ja nicht jede Schneekugel aufführen!
Nein, aber man kann mit den erwachsenen Kindern durch die Wohnung gehen, die Gegenstände in die Hand nehmen, fragen: Wem ist was wichtig? Auch bei der Aufteilung des Vermögens rate ich Familien, sich an einen Tisch zu setzen und das gemeinsam zu beschließen. So erfahren auch die Geschwister mehr voneinander. Und sie können üben, über diese Dinge miteinander zu reden. Das müssen sie ja später auch tun.
"Sie stellen sich damit der Endlichkeit des Lebens"
Ich bin erst Anfang 50. Das alles hat ja noch Zeit, oder?
Das Leben ist ja leider so, dass uns jederzeit etwas passieren kann. Es ist gut, sich frühzeitig Gedanken zu machen. Nicht nur um das Testament. Als unser Sohn mit 19 für ein Jahr nach Südamerika ging, wurde uns klar: Wenn er einen Unfall hat, vielleicht bewusstlos im Krankenhaus liegt, werden wir nicht informiert, können über die Behandlung nicht mitentscheiden. Er hat uns dann eine Vorsorgevollmacht ausgestellt, und wir haben ihm später auch eine ausgestellt. Glücklicherweise kam er heil zurück.
Um was sollte ich mich noch kümmern?
Machen Sie eine Liste mit Kontaktadressen. Als meine Eltern ziemlich plötzlich in ein Pflegeheim ziehen mussten, wollte ich Freunde, Verwandte, Ärzte informieren. Ich fand sechs Adressbücher und ein Geburtstagsbüchlein voller Namen. Ich hatte keine Ahnung, was davon aktuell war. Überlegen Sie weiter: Was brauchen die, die sich kümmern werden, an Informationen über Ihr Leben? Medizinisches wie Klinikaufenthalte, Arztbriefe, Patientenverfügung. Wünsche für die Beerdigung. Finanzen, Abonnements, Versicherungen. Passwörter . . . Es ist hilfreich, sich einen Vorsorgeordner anzulegen (kostenlos unter nichtsvergessen.de). Darin können Sie alles Wichtige ablegen oder vermerken, wo die Formulare zu finden sind.
Das kommt mir vor, als würde ich den Abschied vorbereiten. Ich will aber noch etwas leben . . .
Sie stellen sich damit der Endlichkeit des Lebens. Das kann mal schmerzhaft sein, aber auch guttun. Während man die Dinge ordnet, zeigt sich manchmal deutlich, was oder wer einem wichtig ist. Und wie man weitergehen möchte.
Initiative "Nicht(s) vergessen"
Niemand weiß, wann es Zeit ist, die letzte Reise anzutreten. Aber die intensive Beschäftigung mit dem schwierigen Thema Sterben kann es uns leichter machen loszulassen, gelassener darauf zuzugehen und alles Wichtige rechtzeitig zu regeln.
Mehrere Landeskirchen und diakonische Werke machen mit bei der Initiative "Nicht(s) vergessen. Gut vorbereitet für die letzte Reise." Auf der Homepage findet man Impulse und Hilfe. Man kann dort auch kostenlose Materialien bestellen: die Broschüren Nichts vergessen (zum Thema Vorsorge) und Was bleibt (zum Thema Vererben) und einen Sammelordner für die wichtigsten Unterlagen bestellen sowie Vorsorgedokumente herunterladen.