Hafiza Qasimi in Rostock, ihrer neuen Heimat. Daneben ihr Bruder Mohammad Anosh, der unermüdlich an ihrer Rettung gearbeitet hatte
Hafiza Qasimi in Rostock, ihrer neuen Heimat. Daneben ihr Bruder Mohammad Anosh, der unermüdlich an ihrer Rettung gearbeitet hatte
Heiner L. Beisert
Sie ist da
Die junge Künstlerin Hafiza Qasimi hat es aus Afghanistan raus nach Deutschland geschafft. Nur fünf Tage nach ihrer Ankunft eröffnete sie in Rostock das erste Mal selbst eine ihrer Ausstellungen.
Anke LübbertPR
17.04.2023

Siebenmal sind Fotos der Bilder von Hafiza Qasimi bereits ausgestellt worden, siebenmal hat ihr Bruder Mohammad ­Anosh die Eröffnungsworte gesprochen. Nun steht die 24-Jährige endlich selbst vor dem Mikrofon, im Foyer des Rostocker Rathauses. Vor fünf Tagen ist sie angekommen, am Ende ihrer Flucht aus Afghanistan.

Vor der Machtübernahme der Taliban ­konnte sie von ihrer Kunst leben. Aber dann, im August 2021, zerstörten die ­Taliban ihre Galerie, schlitzten ihre Bilder mit Messern auf. Hafiza Qasimi malte heimlich weiter, foto­grafierte die Bilder für ihren Bruder in Deutschland, verbrannte sie dann. Sie ist nicht nur Künstlerin, sondern auch Menschenrechts­aktivistin. Ihre Bilder zeigen Gewalt durch die Taliban. Und daneben freie Frauen, die von einer besseren Welt träumen. In Afghanistan war sie deshalb mit dem Tod bedroht.

Ihre Geschichte erschien im Juli 2022 in chrismon und bewegte viele Leserinnen und Leser, unter anderem startete Gisela Wuttke aus Münster für Hafiza eine Spendenkam­pagne auf Betterplace, bei der knapp 14 000 Euro zusammenkamen. Sie sollten Hafiza ein Studium in Deutschland ermöglichen.

Ihr älterer Bruder hatte schon 2015 aus Afgha­nistan fliehen müssen, von Rostock aus arbeitete er stetig daran, seine Schwester zu retten. Im vergangenen Jahr gelang ihr endlich die gefährliche Flucht nach Iran, dort lebte sie unter unsicheren Umständen. Doch Mitte März konnte sie überraschend über ein Bundesaufnahmeprogramm für Afghaninnen und Afghanen ausreisen.

Anke LübbertPR

Anke Lübbert

Anke Lübbert lebt in Greifswald, hat drei Kinder und segelt gern. Die freiberuflich arbeitende Journalistin schreibt am liebsten Porträts und Reportagen. Besonders gut kennt sie sich mit Umwelt- und Gerechtigkeitsthemen aus Aber sie hat auch zwei Reiseführer geschrieben.

Auch wenn Hafiza Qasimi erst ein paar Tage in Rostock ist, ist sie hier bereits eine Bekannt­heit, viele hatten mit ihr mitgefiebert, ihre Geschichte verfolgt. "Ich glaube, sie ist bekannter als ich", sagt ihr Bruder, "und ich ­wohne hier schon viele Jahre." (Und er wurde auch schon von Bundespräsident Steinmeier geehrt wegen seines Engagements für Menschen mit Migrationserfahrung.)

Bevor Hafiza Qasimi ans Mikrofon tritt, erkundigt sie sich bei Rostocks Oberbürgermeisterin Eva-Maria Kröger (Die Linke), die die Ausstellung eröffnet hatte: "How can I say your name?" Die winkt ab: "Oh, just call me Eva."

Vor dem Mikrofon wirkt ­Hafiza ein bisschen wie eine der träumenden Frauen auf ihren Bildern, zerbrechlich und stark zugleich. Sie spricht mit leiser, aber fester ­Stimme, ihr Bruder übersetzt aus dem Persischen. "Ich kann meine Gefühle kaum ­beschreiben. Ich hätte nie geglaubt, dass ich es nach Deutschland schaffen würde. Es ist schön, dass ich selbst in Freiheit bin, selbst frei sprechen kann. Aber dass andere kein Recht auf ­Bildung, ­ Freiheit, kein Recht auf Leben haben, das ist sehr traurig."

Später wirkt Hafiza Qasimi überwältigt und ein bisschen erschöpft. Sie hat in den fünf Tagen schon viele Interviews gegeben, Hände geschüttelt, gelächelt und immer wieder auf die Situation der Menschen in Afghanistan hingewiesen, vor allem auf die der Frauen.

Hafiza Quasimi wird zunächst eine Aufenthaltserlaubnis für drei Jahre bekommen. Sie möchte erst einmal Deutsch lernen. "Ich will mit den Menschen sprechen, ohne dass mein Bruder immer übersetzen muss." Und ja, natürlich werde sie weiter malen. Auch wenn sie im Moment nicht daran denken könne.

Es lastet auf ihr, dass sie so viele andere zurückgelassen hat. "In Gedanken bin ich immer mit meinen Freunden, mit meiner Schwester in Afghanistan", sagt sie. "Ich möchte die Menschen dort unbedingt weiter unterstützen. Der Kampf geht weiter. Ich will weitermachen."

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