Ein Mastvieh-Futterplatz in der Nähe von Greeley, Colorado, in den USA
"Fleisch muss ein Luxusprodukt werden"
Cameron Davidson / picture alliance
"Fleisch muss für uns ein Luxusprodukt werden"
Ein Großteil der landwirtschaftlichen Flächen auf der Erde wird für die Viehhaltung benötigt. Laut dem Agrarwissenschaftler Martin Parlasca ist dennoch eine nachhaltige Fleischproduktion möglich.
Sebastian DrescherPrivat
11.11.2022

Herr Parlasca, welche Rolle spielt der Fleischkonsum für den Klimawandel?

Martin Parlasca: Fleischprodukte verursachen deutlich mehr Treibhausgasemissionen als pflanzliche Lebensmittel - sowohl pro Kilogramm als auch pro Kilogramm Protein gerechnet. Besonders hoch sind die Emissionen bei Fleisch von Kühen, Schafen und Ziegen, weil diese Tiere bei der Verdauung das Klimagas Methan ausstoßen. Studien zeigen, dass der Tiersektor für rund 15 Prozent der globalen menschengemachten Treibhausgase verantwortlich ist. Mit Blick auf die Klimakrise essen wir zu viel Fleisch.

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Martin Parlasca

Martin Parlasca ist Agrarwissenschaftler an der Uni Bonn. Er forscht zu Ernährungssystemen und der Rolle des Fleischkonsums.
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Sebastian Drescher

Sebastian Drescher ist Redakteur beim JS-Magazin, der evangelischen Zeitschrift für junge Soldaten, und chrismon.

Sie fordern deshalb, den Fleischkonsum deutlich zu reduzieren, auch weil das im Kampf gegen den Hunger auf der Welt helfen könnte. Inwiefern?

Die Viehhaltung verbraucht sehr viele Flächen als Weideland und zur Herstellung von Futtermitteln. Insgesamt beansprucht die Landwirtschaft global circa die Hälfte der bewohnbaren Flächen, davon wiederum fallen 77 Prozent auf die Viehhaltung. Diese Landflächen könnte man zumindest in großen Teilen anderweitig besser nutzen, um Gemüse und Getreide anzubauen. Die Menschheit könnte so insgesamt deutlich mehr Lebensmittel produzieren – und zwar auch günstiger. Weniger Menschen müssten Hunger leiden.

Ist vor allem Fleisch problematisch oder etwa auch Milchprodukte?

Generell auch andere tierische Produkte, allerdings ist Fleisch problematischer. Ein Kilogramm in Deutschland gekauftes Rindfleisch verursacht etwa rund 14 Kilogramm CO2-Äquivalente, ein Liter Milch zwischen 1,2 und 1,6 Kilogramm – mit den entsprechenden Flächenverbräuchen. Wenn man seinen Kaffee morgens lieber mit Kuhmilch statt Hafermilch trinkt, macht das in kleinen Mengen nicht so den großen Unterschied. Wirkungsvoller ist, das Rindfleisch in der Bolognese durch Tofu, Linsen oder andere pflanzliche Produkte zu ersetzen.

Die Welthungerhilfe und andere Organisationen sagen, es gibt genug Essen, um alle Menschen zu ernähren. Warum sollte dann weniger Fleisch gegessen werden?

Weltweit gesehen produzieren wir theoretisch genug Nahrungsmittel. Aber sie kommen nicht bei den Leuten an. Es gibt ein Verteilungsproblem. Und der Kostenfaktor ist wichtig. Wir haben seit dem Krieg in der Ukraine gesehen, wie die Sorge über ausbleibende Getreideexporte die Preise nach oben getrieben hat. Dazu kommen hohe Kosten für Energie. Höhere Preise treffen vor allem Länder, die darauf angewiesen sind, Nahrungsmittel zu importieren. Mehr Getreide als Lebens- statt als Futtermittel zu produzieren, würde dazu beitragen, die Preise zu senken.

Besonders groß ist die Hungersnot derzeit am Horn von Afrika und in Madagaskar, außerdem in einer Reihe von Krisenländern wie Afghanistan und Syrien. Welche Rolle spielt da der Fleischkonsum?

Wenn überhaupt, nur eine indirekte: Der globale Fleischkonsum verstärkt den Klimawandel und damit Extremwettereignisse wie Dürren, die ein Grund für Hungersnöte sind. In vielen der betroffenen Länder wie Syrien oder Somalia sollte der Fleischkonsum dagegen gefördert werden, weil dort nicht ausreichende gesunde und pflanzliche Alternativen produziert werden können. Das gilt vor allem für Kinder, für die Fleisch wichtige Nährstoffe liefert.

Wer verzichten sollte - und wer nicht

Die Menschheit sollte also nicht fleischlos leben.

Global gesehen nicht, auch wenn es aus Gründen des Klimaschutzes Sinn machen würde. Für den Lebensunterhalt vieler Kleinbauern im globalen Süden sind Ziegen, Schafe, Kühe elementar. Weil sich oft vor allem Frauen um die Viehhaltung kümmern, trägt das auch zu mehr Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern bei. In vielen Ländern im globalen Süden essen die Menschen zudem viel weniger Fleisch als wir. In Europa und den USA ist die Situation anders: Hier haben wir die Möglichkeit, uns mit pflanzlichen Alternativen wie Hülsenfrüchten, Gemüse und ergänzenden Mikronährstoffen zu ernähren. Wir könnten also gut auf Fleisch verzichten.

Welche Länder verbrauchen die meisten Flächen für Viehhaltung?

China, die USA, Brasilien und Argentinien, Russland, auch Australien – also die großen Flächenstaaten. Grundsätzlich ist der Anteil der anders nutzbaren Flächen in den Industriestaaten höher als in ärmeren Ländern. Dort gibt es aber auch teils große Flächen, die nicht für den Ackerbau geeignet sind, etwa in Zentralasien, in der Mongolei, in Ostafrika. Da hat man Tiere, die die Flächen abgrasen. In diesen Regionen ist die Viehhaltung sinnvoll.

Man hört oft, dass die deutsche Fleischindustrie durch den Import von Futtermitteln dazu beiträgt, dass anderswo die Umwelt zerstört wird, etwa im brasilianischen Amazonas. Stimmt das?

Für einen kleineren Anteil der Futtermittelimporte trifft das zu. Insgesamt wird aber ein sehr großer Teil der nötigen Futtermittel hierzulande angebaut, knapp 90 Prozent. Vieles von dem, was im Trog landet, wäre aber auch anders nutzbar. Weizen wird zum Beispiel oft an Tiere verfüttert, wenn er nicht ganz den Qualitätsansprüchen genügt. Wir könnten mehr Getreide zum direkten Verzehr produzieren und dann auch mehr exportieren. Das wird auch nötig sein, wenn man sich anschaut, wie sich global die Erträge in den kommenden Jahrzehnten entwickeln werden. Aufgrund des Klimawandels wird sich der Pflanzenanbau in Richtung der Pole verschieben. Am Äquator und den semiariden Zonen gehen die Erträge aufgrund von Hitze und Dürren zurück, in unseren Breiten können sie dagegen eher steigen. Da geht es dann darum, das global auszugleichen.

"Eine ausgewogene und umweltfreundliche Ernährung ist möglich"

Kann man die Welt künftig ernähren, ohne damit noch weiter den Klimawandel anzuheizen?

Ein internationales Team von Wissenschaftlern, die EAT-Lancet Commission, hat sich in einer Studie angeschaut, wie ein Ernährungssystem aussehen muss, das zehn Milliarden Menschen ernährt und dabei innerhalb der planetaren Grenzen bleibt – also ausgewogene und umweltschonend hergestellte Nahrungsmittel für alle liefert. Die gute Nachricht ist: Es ist möglich. Dafür müssten unter anderem die Erträge steigen und mehr Gemüse, mehr Hülsenfrüchte und Nüsse angebaut werden. Fleisch spielt eine relativ kleine Rolle. Die Forscher halten rund 20 Kilogramm pro Person im Jahr für verträglich. Das ist deutlich weniger als in Deutschland oder den USA verbraucht wird.

In Deutschland sind es 80 Kilogramm, wenn man die Abfälle mitberechnet. Wie kommen wir auf die 20 Kilogramm?

Der Fleischkonsum geht schon stetig zurück, wenn auch nur langsam. Wie man ihn weiter reduziert, ist natürlich die große Frage. Die negativen Seiten des Fleischkonsums sollten noch besser vermittelt werden, zum Beispiel in den Schulen. Eine sinnvolle Idee sind Labels, die die Klimaeinflüsse von Nahrungsmitteln darstellen, wenn sie transparent und gut verständlich sind. Ich finde auch Maßnahmen wie den Veggieday gut, dass also in öffentlichen Kantinen an einem Tag der Woche kein Fleisch serviert wird. Im Endeffekt braucht es auch härtere Eingriffe wie eine CO2-Steuer, die dazu beiträgt, die wahren Kosten von Fleischprodukten abzubilden.

Und eine Mehrwertsteuer von 19 Prozent für Fleisch statt derzeit sieben, wie es Umweltverbände und die Grünen vorschlagen?

Auch das wäre sinnvoll. Aber dann sollten Haushalte mit geringem Einkommen unterstützt werden, damit sie weiterhin Zugang zu einer nährstoffreichen Ernährung haben. Möglicherweise, indem man die Mehrwertsteuer auf Gemüse reduziert.

Deutsche konsumieren Fleisch weit über dem Durchschnitt

Wir sehen bei den Energiekosten, wie schwierig es ist, für gezielte Entlastungen zu sorgen. Viele würden sich Fleisch schlicht nicht mehr leisten können.

Wenn wir den Konsum deutlich reduzieren wollen, muss Fleisch ein Luxusprodukt werden. Man kann nicht sieben Tage die Woche Fleisch essen.

Global nimmt der Fleischkonsum zu, vor allem in Schwellenländern wie China.

Allerdings noch auf einem niedrigeren Level als bei uns. In Deutschland liegen wir immer noch über dem weltweiten Durchschnitt. Gleichzeitig sollte man sich die Herstellung anschauen, also umweltfreundlicher produzieren. Zum Beispiel mit bestimmten Futtermitteln oder Zusatzstoffen im Futter, die den Methanausstoß reduzieren. Da ist die Forschung dran, erste Feldversuche sind durchaus positiv. Gut möglich, dass sich das nach und nach durchsetzt. Es wird aber kein Wunderheilmittel sein.

In welchem Ausmaß ist eine nachhaltige Fleischproduktion möglich?

In geringem Umfang ist es möglich. Wenn man Futter verwendet, das nicht in Konkurrenz zu Nahrungsmitteln steht. Und Rinder auf Weiden grasen lässt, die nicht für den Ackerbau geeignet sind. Solche Flächen gibt es auch bei uns, etwa in Steillagen der Mittelgebirge. Da muss man aber wieder darauf achten, dass nicht zu viele Tiere auf einer bestimmten Fläche gehalten werden. Es ist also kompliziert.

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Hallo,... erst einmal möchte ich sagen, ein ganz toller Artikel. Der Haken ist, alle, wirklich alle, bis auf ganz wenige Ausnahmen, wissen um diese Probleme. Die riesigen Rinderfarmen sind zum großen Teil für die Burger-Ketten, die Industrie und Systemgastronomie. Wir müssen nicht zurück, sondern nur anders handeln und wirtschaften. Besonders handeln, wir müssen handeln. Es ist genug geforscht und genug gesagt, es muss was geschehen. Ich sah heute einen Film von der Heinz Sielmann Stiftung. Die sind dabei Biotope zu schaffen. Dort haben sich innerhalb kürzester Zeit viele Vogelarten, Kröten, Eidechsen angesiedelt, die schon vom Aussterben bedroht waren. Und so weiter. https://www.sielmann-stiftung.de/natur-schuetzen/grundsaetze/biotope-verbinden Sicherlich würde es viel nützen, wenn man die Subventionen kürzt oder ganz streicht, damit wäre ein Anfang gemacht. Wir müssen jetzt was tun, es ist genug geredet und geforscht. Die Verantwortlichen müssen handeln. Danke für den Artikel.

Antwort auf von Mel (nicht registriert)

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Müssen handeln! KLINGT immer GUT. Ist aber hilflos, wenn sie nicht wissen was sie tun. Und was sollen sie doch tun? Na ja, in irgendeiner Schublade wird sich ja noch ein altes sträflich übersehenes Patentgesetz finden lassen. Wer suchet der findet und wer nichts findet ist selbst schuld. In diesem Fall geht es nicht um den guten Willen. Es geht darum, was unsere Zivilisation seit Menschengedenken an der Natur verbrochen hat. Alle Täter haben es nicht gewusst und sind längst gestorben. Auch wenn es allen esotherisch schwäbisch protestantische Gewissheiten zuwiderläuft, Schuldzuweisungen sind ungerecht. Der Anfang ist gemacht. Welcher?

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Bitte von den Autoren etwas mehr Sorgfalt bei den Überschriften und dann zum Hintergrund im Text. Es ist einfach "knackig" für eine Kita zu fordern und die Dimensionen der Ursachen und die aller Folgen (nicht nur Klima) zu unterschlagen. Der Fleischkonsum wird masslos überbewertet. Die Fleischfolgeprodukte (Milch, etc.) sind für uns essentiell. Sie zu ersetzen schafft neue ungeahnte Probleme. Der Fleischkonsum kann keinen Klimawandel bremsen. Bremsen bedeutet zudem verlangsamen aber nicht verhindern. Fleisch ein Luxusgut? Nur noch Reiche an den Grill? Für die Löwen und carnivoren Haustiere der Luxus, für uns das Verbot. Das wahre Problem wird verschwiegen. Jetzt sind wir 8 Milliarden. 1950 hatte der Klimaendlauf mit 2,5 Milliarden schon längst begonnen. Bei uns weniger Fleisch und im gesamten arabischen Raum mehr Wasser, Lamm, Huhn, Fisch, Luxus und "Fußball". Lest den SPIEGEL-Titel dieser Woche und Ihr seid kuriert.

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Fleisch muss um der Vernunft willen von der wettbewerbsbedingten Konfusion befreit werden, in einem globalen Gemeinschaftseigentum auf der Basis eines UNKORRUMPIERBAREN Menschenrechts zu KOSTENLOSER Nahrung, dann wird auch der Umgang mit Fleisch/Tiere zweifelsfrei-eindeutig und somit wirklich-wahrhaftig verantwortungsbewusst - Luxus ist ein Wort des verkommenen Denkens und Handelns!!!

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Das alles richtig verstanden? Fleisch also als Luxus nur noch für Reiche oder zu besonderen Anlässen am Heiligen Abend? Das kann doch wohl nicht sein. Luxus ist auch, sich teuer mit Chiasamen aus Indien und mit Lotusblütenextrakt aus Japan zu ernähren. Vielleicht noch ein bischen Cocuma, Ingwer und echte Vanille für das Kilo zu € 3000 per Flugzeug eingeflogen? Bitte den Rooibos Tee aus SA nicht vergessen. Als Proteinlieferant ist Fleisch in vielen Ländern (Mongolei, Arktis) nahezu unersetzlich und die Fleischfolgeprodukte sind es bei uns ebenso. Für die Löwen und die carniforen Haustiere auch. Ja, das Fleisch wurde überbewertet, aber jetzt einen Kirchentag mit seinem "Synodalen Weg" daran bewerten, ob dort noch eine Bratwurst gegessen werden kann, ist abwegig. Und diese "Freitagskinder" finden nichts dabei, wenn sie selbst den Luxus (sind die Schränke voll, muss es unbedingt Kerrygold sein und welcher Big Mac ist der Beste?) ohne Bedenken hofieren. Blanke Theorie ist zu glauben, dass man ohne Kunstdünger die Welt vegan ernähren kann. Vegan ist teuer. Für vegan benötigt man viel Wasser, Wissen, Bildung, sehr gr0ße Kühl- und Lagerhäuser, eine verläßlich klimatisierte Logistik und Versorgung. Wer das nicht hat oder kann, ist verloren! Es ist nicht damit getan, auch die Blätter vom Wirsing und die Pertersilienstengel zu essen. Über die Gesundheitsstörungen einer strikt veganen Ernährung wird schamhaft geschwiegen. Da werden vegane Phantsiewelten aufgebaut und versucht, den Bratwurstessern auf Kirchtentagen ein schlechtes Gewissen einzureden. Bitte nicht esotherische Globuli mit Christentum gleichsetzen.