Rot, orange, gelb, grün, blau und lila – so leuchten ein paar Hundert Meter der Rosenkrantz-Straße in Oslo seit dem 6. September 2022. In der Nacht davor legten die Arbeiterinnen und Arbeiter der Stadtverwaltung Hand an und verwandelten die Straße in einen Regenbogen. Der leuchtet nun hoffnungsfroh direkt vor den Kneipen "London Pub" und "Per på Hjørnet", wo am Abend des 25. Juni dieses Jahres Zaniar Matapour wahllos in die Menge schoss, zwei Menschen tötete und mehrere verletzte. Der Anschlag galt den gleichgeschlechtlich liebenden Menschen und der gesamten queeren Szene - ein schrecklicher und unglaublicher Ausdruck von Hass und Menschenverachtung.
Lutz Tietje
Die Tat hat in der Stadt Oslo und im gesamten Land für große Erschütterung und Verunsicherung gesorgt, auch in unserer Gemeinde. Kein Gespräch, das ich geführt habe, und kein Gottesdienst, den wir gefeiert haben, kam daran vorbei, das auszudrücken, was uns als christliche Gemeinde hier in der Stadt bewegt: Dass unser Mitgefühl und unsere Gebete bei den Opfern und ihren Angehörigen sind und bei allen, die sich bedroht und verletzt fühlen, weil sie lieben, wen sie lieben. Dass wir als Gemeinde auf die Liebe setzen, die Menschen verbindet, die stärker ist als aller Hass und mit der wir von Gott zuerst geliebt sind.
Mich persönlich hat es zutiefst beeindruckt, wie groß die Anteilnahme in dieser Stadt war. Das Regenbogen-Blumen-Meer am Ort der schrecklichen Tat war ein Zeichen, das mich bewegt hat. Zugleich gab es Solidaritätsbekundungen von allen öffentlichen Amtsträgern und Politikern jeglicher Couleur. Der König wandte sich an das Land, Kronprinz und Ministerpräsident besuchten den Ort des Geschehens, und alle beschworen die Werte von Toleranz, Vielfalt, Gleichheit und Menschenwürde, die Norwegen wichtig sind.
An der Pride-Parade, die in Oslo eigentlich kurz nach dem Anschlag hätte stattfinden sollen und die dann am 10. September nachgeholt wurde, nahmen nicht nur über 60.000 Menschen teil, sondern der Ministerpräsident und der Parlamentspräsident gehörten wie selbstverständlich zu den Teilnehmern und den Rednern bei der zentralen Kundgebung. "Nichts stoppt die Liebe" war die gemeinsame Botschaft, gut biblisch, aber vor allem menschenverbindend. Als Zeichen dieser Erklärung hat Oslo nun eine echte Regenbogenstraße.