Willi Weitzel: Lieber Herr Oster, lieber Herr Podzsus, wenn Greta Thunberg Sie besuchen würde – was hätte sie zu beanstanden?
Martin Oster (47): Dass hier Grills stehen, die ich nicht nur mit Gemüse belege. Immerhin achte ich auf zertifizierte Grillkohle.
André Podzsus (63): Viel zu schimpfen hätte sie bei mir nicht. Auch ich habe Fleisch im Kühlschrank, aber bio.
Der Strom für Ihre Kühlschränke kommt von Solaranlagen, die Sie auf Ihren Dächern haben. Wie fühlt sich das an?
Willi Weitzel
Martin Oster: Den eigenen Strom zu produzieren – mehr als meine Frau und ich verbrauchen können –, ist ein super Gefühl!
André Podzsus: Es ist sehr befriedigend! Ich muss zwar in den vier dunklen Monaten Strom dazukaufen. Aber übers Jahr gesehen erzeuge ich genügend Strom für meinen Haushalt und mein Elektroauto.
Sie leben in Schleswig-Holstein. Gibt es im Norden überhaupt genügend Sonne?
Martin Oster: Ja! Im Süden lassen sich allerdings etwa 15 Prozent mehr rausholen . . .
Warum wollten Sie eine Solaranlage auf dem Dach haben?
André Podzsus: Aus Idealismus. Es ist mein Beitrag, die erneuerbaren Energien zu fördern und weg vom CO2 zu kommen.
Martin Oster: Wir hatten zuerst das Elektroauto. Anfangs wurden wir belächelt. "Ach, der ist ja süß, aber weit kommst du ja nicht damit. Und CO2 produziert der trotzdem, wenn du den mit Kohlestrom auflädst." Da haben wir gedacht: Diesen CO2-Rucksack setzen wir ab und pachten von unserem Stromanbieter eine Solaranlage.
Wird sich das irgendwann mal rechnen?
André Podzsus: Bei mir wird es ein Nullsummenspiel. Die Ausrichtung zur Sonne ist auf meinem Dach ganz gut, aber hier stehen hohe Bäume, die schon im September morgens Schatten auf meine Anlage werfen. Mehrere Stunden erreiche ich nur ein Viertel der Leistung. Aber damit kann ich leben.
Martin Oster: In 18 Jahren kann ich die Anlage für einen symbolischen Preis übernehmen, dann endet die Pacht und wir haben niedrige Stromkosten. Vielleicht können wir irgendwann in 25 Jahren über eine schwarze Null reden. Aber ich mache mir darum keine Gedanken, denn ich zahle auch nicht viel drauf.
Wie unabhängig sind Sie nun?
Martin Oster: Wir haben einen Stromspeicher im Keller. Für Strom und Auto sind wir zu 75 bis 80 Prozent unabhängig. Bei der Wärme ist das leider noch anders, weil wir mit Gas heizen.
Wow! Haben Sie auch einen Speicher, Herr Podzsus?
André Podzsus: Ja, wider alle Vernunft, denn das ist mein Renditekiller. Aber er ist netzdienlich.
Wie man den Zappelstrom in den Griff bekommt
Wie bitte?
André Podzsus: Solaranlagen machen viel Strom, wenn die Sonne scheint. Wenn eine Wolke kommt, bricht aber auch viel Leistung weg. Ich nenne das Zappelstrom. Der Speicher und meine Autobatterie nehmen Solarstrom in Spitzenzeiten auf und helfen, den Zappelstrom besser zu steuern. Das ist netzdienlich.
Woher kommt Ihr Strom im Winter?
Martin Oster: Aus Windstrom von einem Ökostromanbieter.
André Podzsus: Ich bin beim örtlichen Stromanbieter. Der hat nicht nur reinen Ökostrom, aber dafür nehme ich an einem Pilotprojekt teil. Bei mir werden Steckdosen zugeschaltet, wenn viel Windstrom im Netz ist. Ist es windig an der Nordsee, geht bei mir der Geschirrspüler an.
Moment mal, bitte, meine Töchter rufen mich, denen möchte ich mal schnell "Gute Nacht" sagen!
André Podzsus: Ihre Kinder sind diejenigen, für die wir das machen! Diese Generation wird mir zu Recht Vorwürfe machen. Schon 1978 sprach Hoimar von Ditfurth davon, dass der Mensch das Klima erwärmt. Alles war bekannt, aber ich habe Jahrzehnte zugeguckt, wie es schlimmer wird. Dass ich aufgewacht bin, habe ich Fridays for Future zu verdanken. Klimaschutz ist der Grund, warum Martin und ich uns als Bürgerenergie Norderstedt zusammengetan haben.
"Bei zehn Anlagen hatten wir unsere Finger im Spiel"
Ist das eure Firma?
Martin Oster: Nein, wir beraten ehrenamtlich und kostenlos Menschen, die sich auch für eine Solaranlage interessieren. Die können alle Fragen an uns richten, bevor sie mit einem Installateur sprechen. Bei zehn Anlagen hatten wir schon unsere Finger im Spiel.
Wenn ich hier viele Dächer sehe . . . Ihr solltet das auch in Bayern anbieten!
André Podzsus: Viele Menschen würden ja wollen, aber die Politik behindert die Erneuerbaren. Wer eine Solaranlage auf dem Dach hat, wird umsatzsteuerpflichtig und muss eine Einnahmenüberschussrechnung machen. Das macht die Steuererklärung komplizierter.
Warum ärgert man Leute, die beim Strom unabhängig werden wollen?
Martin Oster: Auf CDU-Parteitagen standen schon Sponsorentafeln im Foyer, von allen großen Energiekonzernen. Es ist reiner Lobbyismus, ich habe keine andere Erklärung.
Was wäre Ihr Traum?
Martin Oster: Ich bin 47 Jahre alt und möchte noch eine Vollversorgung mit Erneuerbaren erleben, weltweit! Aber so, wie die Politik jetzt handelt, habe ich Zweifel, ob das klappt.
André Podzsus: Dafür müssen wir das Energiesystem endlich umbauen.
Das Beratungsangebot von Martin Oster und André Podzsus finden Sie unter buergerenergie-norderstedt.de