Oft wird Franziskus kritisiert, er sei zu moralisch. Er durchdenke die Dinge nicht so theologisch wie sein Vorgänger. Tatsächlich kommt der Papst auch in seiner neuen Enzyklika "Fratelli tutti" nicht weit über einen Appell an den guten Willen und zu mehr Selbstlosigkeit hinaus. Er beklagt wirtschaftliche Kälte, mafiöse Machtstrukturen, Herzenskälte gegenüber Fremden und vieles mehr. Grundsatzfragen rührt er nicht an: Die Ursache des Bösen – ist es die Begierde des Menschen oder seine Hybris oder seine Gottvergessenheit?
Burkhard Weitz
Ebenso wenig die Fallstricke der Sünde: Kann sich jemand auf der Seite des Guten wähnen, ohne überheblich – und damit sündig zu sein? Oder auch die Hoffnung auf Erlösung: Warum an Gottes Güte festhalten, wenn die Welt um mich herum untergeht?
Wer die Enzyklika liest, fragt sich irgendwann: Brauchen wir das Christentum, die Religion überhaupt, um all dieses Elend zu bewältigen? Papst Franziskus Antwort darauf ist theologisch wenig elaboriert, dafür aber verblüffend einfach: Ja, wir brauchen Christentum und Religion. Aber nicht als theoretischen Überbau. Sondern, damit überhaupt mal jemand anfängt, Gutes zu tun.