Im Grenzgebiet von Straßburg und Kehl entsteht ein neues Viertel für 20 000 Menschen. Günter Ihle von der badischen Landeskirche und seine französische Kollegin Roos Van De Keere arbeiten auf einer gemeinsamen deutsch-französischen Pfarrstelle. Sie nennen ihr Projekt "Von Ufer zu Ufer".
chrismon: Was ist neu an Ihrer Kooperation?
Günter Ihle: Dass zwei Landeskirchen aus zwei Ländern gemeinsam eine Pfarrstelle finanzieren, ist bisher einmalig. Wir feiern beide deutsch-französische Gottesdienste und halten Taizé-Gebete in der "Kapelle der Begegnung" im Rheinviertel. Gemeinsam begleiten wir Pilgergruppen und Konfirmanden und diskutieren mit ihnen über Versöhnung.
Günter Ihle
Claudia Keller
Warum gibt es diese Stelle erst jetzt?
Weil es nicht einfach ist. Die politischen Systeme in Deutschland und Frankreich unterscheiden sich, ebenso die Kirchen. Die badische Kirche hat 1,1 Millionen Mitglieder, Elsass-Lothringen nur 200 000. In Frankreich sind Staat und Kirche strikt getrennt, in Deutschland kooperieren sie. Und wir kämpfen immer noch mit der Sprachbarriere.
Was bedeutet heute Versöhnungsarbeit?
Die Zeit des Aufbruchs ist vorbei. Jetzt müssen wir den Alltag an der Grenze gestalten. Wie gehen wir zum Beispiel mit Zuwanderern aus anderen Religionen und Kulturen um? Das beschäftigt uns auf beiden Seiten des Rheins. Es schwappt auch viel Kriminalität aus Straßburg nach Kehl herüber. Die Jugendlichen aus der Banlieue bevölkern im Sommer die Kehler Freibäder, das bringt Unruhe. Wir wollen nicht, dass Konflikte eskalieren.
Die "Kapelle der Begegnung" ist noch aus der Zeit des Aufbruchs.
Ja, sie wurde in den Trümmern der Nachkriegszeit aufgebaut. Sie ist in einem so schlechten Zustand, dass wir sie im Winter nicht nutzen können. Die Renovierung kostet eine halbe Million Euro. Dafür suchen wir Unterstützung.