chrismon: Eines der verschwundenen Dörfer ist Nauroy im Osten von Reims.
Reiner F. Schulz: Mein Urgroßvater ist 1917 in Frankreich gefallen. Als ich nach ihm recherchierte, bin ich auf dieses Dorf gestoßen. Etwa 25 solcher Dörfer wurden nicht wieder aufgebaut, sondern zu Sperrgebieten erklärt. Die Erde war zu sehr verseucht von Sprengstoff und Metallen. Ich fragte mich, was wäre, wenn der Krieg 14/18 in Süddeutschland stattgefunden hätte. Bei uns sind Narben in den Familiengeschichten geblieben, in Frankreich auch welche in den Landschaften.
Reiner F. Schulz
Sie haben in Mittelfranken an Ortseingängen dunkelgrüne Schilder mit weißer Schrift aufgestellt. Warum?
Die Schilder mit der Aufschrift "Verschwundenes Dorf" sollen irritieren: Das Dorf ist ja offensichtlich da. Sie sollen neugierig machen, und die angebotenen Informationen zum Beispiel auf der Internetseite und in der Ausstellung in Erlangen führen zum Ersten Weltkrieg.
Am 11. November 1918 endete der Erste Weltkrieg. Im Gedächtnis der Deutschen ist vor allem der Zweite Weltkrieg verankert.
Im kulturellen Gedächtnis der Deutschen ist 14/18 weit weniger präsent als bei den Franzosen, die von "La Grande Guerre" sprechen. Gegen dieses Vergessen möchte ich etwas tun. Überall werden Nationalismen wieder hoffähig. Diese Völkerschlacht im Ersten Weltkrieg hat gezeigt, wohin übersteigter Nationalismus führen kann. Für heutige Politiker scheint Krieg mehr so etwas zu sein wie eine historisch-statistische Größe. Ich will bewusst machen, wie fragil unser Frieden ist.