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David Wojnarowicz war ein wütender Künstler. Ein Mann, der sich vor allem als Poet begriff, der seine Botschaften aber in verschiedene Medien packte – Film, Fotografie, Collage, Malerei, Skulptur. Mehr politischer Aktivist als weltabgewandter Dichter. David Wojnarowicz’ Kunst muss man von seinem biografischen Ende her betrachten, um nachvollziehen zu können, woher diese Leidenschaft, die Verachtung und die Wut in seinen Werken kommen.
Der US-Amerikaner starb 1992 mit 37 Jahren an den Folgen einer HIV-Infektion. Damals hieß es, der Virus suche vor allem vermeintlich sündhafte Homosexuelle heim. Ein Mittel dagegen war noch nicht gefunden. Die meisten Infizierten starben quälend langsam.
Lukas Meyer-Blankenburg
Wojnarowicz’ Leben war kurz und hart, geprägt von Erfahrungen auf der Straße, wo er lange anschaffen ging und sich mit dem elend verdienten Geld Drogen kaufte. Er betrachtete sich als "queer" zu einer Zeit, als man das selbst in der Hauptstadt der Subkulturen, in New York, nur heimlich sein durfte. Dass er 1979 in seiner Collage "Untitled (Genet after Brassaï)" Jesus als Fixer mit Nadel im Arm darstellte, brachte ihm gehörigen Ärger ein. Überhaupt landete seine Kunst des Öfteren vor Gericht, wo Wojnarowicz meist glimpflich davonkam.
Man muss seine Biographie von hinten lesen
Sein Bild hier ist wohl weniger als Lästerung zu verstehen. Der Künstler sah den Heiland an der Seite der Armen. In Wojnarowicz’ Welt waren das vor allem die obdachlosen Junkies. Den Heiligenschein darf im Bild der vielleicht erste Chronist dieser Junkie-Welt tragen: der Schriftsteller Jean Genet, eine Art französischer Wojnarowicz. Genet lebte selbst auf der Straße, war Stricher und schrieb unverblümt über Elend und Glorie dieses Lebens.
In seinen Werken setzte sich Wojnarowicz damit auseinander, wie Menschen an den Rand gedrängt, ausgegrenzt, kriminalisiert oder pathologisiert werden. Er kämpfte gegen staatliche Unterdrückung und Gängelung. Das machte seine Kunst zwar oft knallig und kraftvoll, aber nicht immer größer. Und doch erlebte sie auf dem Kunstmarkt einen Hype, kam nach und nach aus der Außenseiterposition heraus und wurde Teil des modernen Kanons. Dort finden sich auch Werke des Dichterfürsten Walt Whitman und solche einer Legende aus der rauschgetriebenen Beat Generation: William S. Burroughs.Der Autodidakt Wojnarowicz passt zu ihnen. Bis Anfang Februar widmet sich eine Ausstellung im Museum für moderne Kunst in Luxemburg, im Mudam, seiner Kunst.
Ein muskelstrotzende Macho in comichafter Aufmachung
Interessanterweise hatten weniger die amerikanischen Kollegen Wojnarowicz beeinflusst als zwei Große aus Frankreich, die auch in diesem Werk auftauchen: der bereits genannte Jean Genet – und der Fotograf Brassaï, der mit seinen Schwarz-Weiß-Bildern von Paris maßgeblich beeinflusste, wie die meisten von uns auf diese Stadt schauen (selbst der Gossendampf aus dem Gully scheint da etwas sehnsüchtig Verträumtes zu haben). Brassaï nahm das Porträt von Jean Genet auf und vermutlich auch das Bild der zerstörten Kirche, die zum Lazarett umfunktioniert ist – das würde Papst Franziskus gefallen. Am Ende bekommen der widerspenstige Fixer Jesus wie auch Armut und Elend im Foto beinahe etwas Tröstliches, etwas, dem die Engel von links gerne zuflattern.
Der Einzige, der wirklich stört, ist der muskelstrotzende Macho, ein in seiner comichaften Aufmachung männlicher Ideal-Amerikaner, der in blinder Wut alles zerschießt. Genet und Jesus stehen über dem Typen. In ihrer Kirche hat er trotzdem Platz.