Ich bin seit neun Jahren in Kanada und immer wieder überrascht, wie engagiert und warmherzig die Menschen hier auf die Flüchtlinge aus Syrien, Somalia oder Eritrea reagieren. Kanada hat ein besonderes Aufnahmemodell: Privatleute und Gruppen können Patenschaften für geflüchtete Familien übernehmen, damit diese einreisen und hier legal leben dürfen.
Karin Achtelstetter
Meine Organisation vermittelt solche Patenschaften vor allem an lutherische Kirchengemeinden. Das Immigrationsministerium teilte uns in diesem Jahr ein Kontingent von 150 Personen zu. Wir konnten es auf 180 erweitern und hoffen nun auf eine weitere Zuteilung. Denn: Sehr viele Gemeinden wollen mitmachen und sind bereit, eine Familie im ersten Jahr zu sponsern und ihr auch beim Einleben zu helfen. Zuweilen müssen die Gemeinden drei oder vier Jahre auf "ihre Familie" warten. Bis dahin halten sie Kontakt per Handy oder Mail, und wenn es endlich so weit ist, sind alle sehr stolz.
Viele Kanadier waren selbst Migranten
Woher die Hilfsbereitschaft kommt? Ich denke, sie hängt mit der eigenen Geschichte zusammen. Neulich traf ich Senioren, die als Kinder oder Jugendliche aus dem Nachkriegsdeutschland nach Kanada kamen. Darunter George, der seinen alten Koffer mitbrachte. Und die aus Polen Vertriebene Olga: "In Polen wurden wir als ,niemiecki‘ beschimpft, in Deutschland nannte man mich ,Polacke‘", erzählte sie unter Tränen. Der Anfang in Kanada sei hart gewesen, erinnern sie sich alle, aber diskriminiert wurden sie nicht. Die eigene Fluchterfahrung kann sensibel machen für die Not heutiger Flüchtlinge – Kanada macht das vor.