Grace, eine Bekannte, wohnt in der Innenstadt von Johannesburg. An einem Montag Anfang September erzählte sie beunruhigt von Schüssen und brennenden Autos, von geplünderten Geschäften, von Verletzten und Toten. In ihrer Straße war es zwar ruhig geblieben, und ihre Familie war heil nach Hause gekommen. Aber die Sorge sah man ihr an. Grace stammt wie viele andere Migranten hier aus Simbabwe, und die Ausschreitungen richteten sich vor allem gegen Zuwanderer aus den Nachbarländern.
Wilko Hunger
Die Arbeitslosenquote in Südafrika liegt bei 29 Prozent, inoffiziell ist sie weit höher, vor allem unter Jugendlichen. In der Wirtschaftsmetropole Johannesburg liegen Hoffnung auf ein besseres Leben und eine tiefe Enttäuschung nah beieinander. Korruption und Kriminalität tun das Ihre. Am Ende suchen sich die Verärgerten, wie so oft, einen Sündenbock. Schon 2008 und 2015 kam es zu Ausschreitungen gegen Migranten und Flüchtlinge aus anderen afrikanischen Ländern. Unvermittelt kochte die Stimmung hoch, um dann ebenso unvermittelt wieder dem Alltag Platz zu machen.
Und die Ideale von Tutu und Mandela?
Manche Menschen verlassen das Land. Andere wollen bleiben. Sie versuchen, etwas zu verändern, wollen an die Hoffnungen anknüpfen, die – für Schwarze und Weiße in ganz Afrika – mit dem Ende der Apartheid verbunden waren, an die Ideale von Desmond Tutu und Nelson Mandela. Ich, ein europäischer Ausländer, der jederzeit zurückkehren kann und nicht Zielscheibe dieser Gewalt ist, ver stehe manchmal nur eins: wie komplex die Herausforderungen sind und wie wenig Sinn manche Ratschläge aus der nördlichen Hemisphäre hier ergeben. Grace sagt überzeugt: "Wir haben eine Zukunft, alle gemeinsam." Solche Zuversicht bewundere ich. Ich höre zu. Und lasse mich von Graces Hoffnung anstecken, dass es in Südafrika Schritt für Schritt besser wird.