Gespannt saß ich am 25. Februar vor dem Fernseher und schaute die Acht-Uhr-Nachrichten. Den ganzen Tag hatte ich auf das Ergebnis der Volksabstimmung gewartet. Die Kubaner durften über die neue Verfassung entscheiden, die sogenannte "Magna Carta". Monatelang lief vorher die Regierungskampagne "Yo Voto Si" (Ich stimme mit Ja) in allen Medien. Dieser Slogan flimmerte auch über die digitalen Anzeigetafeln der öffentlichen Busse, wo sonst die Linien- nummer und die Zielhaltestelle stehen.
Georg Braumiller
Die "Magna Carta" soll dem 2008 eingeleiteten Reformprozess gerecht werden, seit dem Rücktritt von Fidel Castro öffnet sich Kuba Schritt für Schritt dem Westen. Anders als die bisherige Verfassung von 1976 erlaubt sie Privateigentum und ausländische Investitionen. Das Präsidentenamt wird auf zehn Jahre beschränkt. Elementares aber bleibt: Der Sozialismus besteht fort, wirtschaftlich wie gesellschaftlich, und der Kommunismus bleibt Staatsziel. Auch das Einparteien system der kommunistischen Partei Kubas (Partido Comunista de Cuba) bleibt erhalten.
Die meisten Diskussionen gab es im Vorfeld um einen Paragrafen, der die gleichgeschlechtliche Ehe ermöglicht. Vor allem Evangelikale protestierten dagegen. Vor der Abstimmung wurde er deshalb sprachlich abgeschwächt. 84 Prozent der Wahlberechtigten beteiligten sich am Referendum. Knapp 87 Prozent von ihnen stimmten mit "Ja". Die "Yo Voto Si"-Kampagne hat sich also ausgezahlt. Die Leute in meiner Umgebung hat das offenbar nicht überrascht. Nach der Verkündung des Ergebnisses machte niemand den Eindruck, als ob es Grund gäbe, sich zu freuen – oder sich aufzuregen. Denn, so hörte ich mehrmals, "es ändert sich ja eh nichts".