Gegen Vergewaltigung! Gegen Missbrauch!" So demonstrierten Hunderte Frauen (und Männer) am Internationalen Frauentag in Delhi. Alle Religionen waren vertreten. Diese – besonders von Jüngeren vorgetragenen – Forderungen sind auch für die Kirchen in Indien brisant, besonders für die römisch-katholische. In Südindien hatte vor einigen Monaten eine katholische Nonne einen Bischof ihres Ordens angezeigt, der sie wiederholt missbraucht haben soll. Als daraufhin innerkirchlich nichts passierte, standen ihre Mitschwestern immer wieder vor dem örtlichen Gerichtsgebäude und forderten Gerechtigkeit.
Markus Lesinski
Im Januar 2019 berichtete kurz die indische, besonders aber die internationale Presse darüber. Aber eine öffentliche Protestwelle wurde nicht angestoßen. Das mag daran liegen, dass die Christen nur 2,3 Prozent der 1,3 Milliarden Inder ausmachen. Zudem steht der Subkontinent gerade vor einer Parlamentswahl. Premier Modi arbeitet mit nationalistischen und auf seine Person zugeschnittenen Themen an seiner Wiederwahl im Mai und zettelt lieber einen Waffengang mit dem Nachbarn Pakistan an. Eine gesamtgesellschaftliche Diskussion über Vergewaltigungen käme ungelegen. Sie könnte den weit verbreiteten Missbrauch in allen Gesellschafts- und Familienbereichen und Religionen aufdecken. Politik, Gerichte, Polizei und Behörden scheinen diesen zu dulden. Auch die Christen halten sich zurück. "Es ist eine Schande, wenn so ein Verbrechen ans Licht kommt", meinte eine nordindische Christin, mit der ich darüber sprach. "Eine Schande für das Ansehen des christlichen Glaubens und der Gemeinde, für das Opfer und dessen Familie. Es ist besser, über so etwas zu schweigen."