Besser provisorisch als gar nicht
Die muslimische Gemeinschaft ist vielfältig und dynamisch. Darauf muss sich der deutsche Staat einstellen
Tim Wegner
05.12.2018

Das Verhältnis von staatlicher Seite zu den traditionellen Islamverbänden in Deutschland war in letzter Zeit sehr abgekühlt. Der nationalistische Kurs der Erdogan-Türkei und ihr Einfluss auf hiesige Moscheen haben selbst wohlmeinende Politiker auf Distanz gehen lassen. Dazu kommt die Hetze der Rechtspopulisten. 

Tim Wegner

Claudia Keller

Claudia Keller ist Chefredakteurin von chrismon. Davor war sie viele Jahre Redakteurin beim "Tagesspiegel" in Berlin.

Doch ein Grundvertrauen zwischen Staat und Vertretern der Muslime ist geblieben. Das wurde beim Neustart der Deutschen Islamkonferenz Ende November deutlich. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatte 240 Vertreter muslimischer Verbände und Netzwerke sowie Religionsbeauftragte der Länder, Bürgermeister, Juristen und Theologen nach Berlin eingeladen. Dabei zeigte sich: Die Islamverbände verlieren an Macht, neue Initiativen entstehen und eine junge Generation gebildeter, selbstbewusster Musliminnen und Muslime ist herangewachsen und verlangt Mitspracherecht. Das sind gute Nachrichten.

Tiefe Gräben

Allerdings sind die Gräben zwischen religiös konservativen, liberalen und säkularen Muslimen so tief, dass es schon ein Erfolg ist, dass sie im Rahmen der Konferenz überhaupt miteinander reden und streiten.

Es ist illusorisch zu hoffen, dass sie sich in absehbarer Zeit so organisieren werden wie die Kirchen - mit Mitgliederkarteien und klaren Repräsentanten. Statt einiger weniger Verträge von höchster staatlicher Seite mit muslimischen Dachverbänden wird es viele lokale und provisorische Absprachen geben müssen, die in Bayern anders aussehen könnten als in Niedersachsen, und vielleicht sogar in Frankfurt anders als in Fulda.

Unbequem

Das ist für den Staat unbequem und verfassungsrechtlich schwierig, aber nur so wird man der wachsenden Vielfalt und Dynamik der muslimischen Gemeinschaft gerecht werden und bei den anstehenden Fragen wie etwa bei der Imam-Ausbildung weiterkommen. Solche Provisorien haben aber auch Vorteile: Man kann sie verändern und man muss im Gespräch bleiben - ob man will oder nicht.

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