"Bolivia dijo no!" Das lese ich hier überall, auf Bannern, Schildern, Plakaten. "Bolivien hat Nein gesagt!" heißt das: Nein zu einer erneuten Kandidatur des Präsidenten Evo Morales. Nein zu der geplanten Verfassungsänderung, die ihm eine solche ermöglichen soll. Bolivien habe ich als Protestland kennengelernt. Die Menschen gehen regelmäßig auf die Straße, sie demonstrieren, streiken, blockieren die Ein- und Ausfallstraßen. Sie versuchen, ihre Demokratie zu schützen, die in Gefahr ist. Als Evo Morales 2006 an die Macht kam, durften Präsidenten laut Verfassung nur eine Amtszeit regieren. Er schaffte es mit einigen Schachzügen bis zur dritten. Und will im kommenden Jahr erneut antreten. Die Bolivianer sollten das im Februar 2016 per Referendum absegnen. Sie aber stimmten mit knapper Mehrheit dagegen. Trotzdem wurde im November Morales' erneute Kandidatur angekündigt, das Verfassungsgericht hatte den Weg für eine entsprechende Verfassungsänderung freigemacht. Das "No" der Bevölkerung zählte nicht viel.
Lucia Ernst
Evo Morales ist der erste indigene Präsident Boliviens, der Name seiner Partei "Bewegung zum Sozialismus" (MAS) ist Programm. Die Verstaatlichung des Öl- und Gasgeschäftes führte zu starken Wachstumsraten und zu einem breiteren Wohlstand in der Bevölkerung. Doch die Leute merken auch, dass der Staat immer autoritärer wird, so bekomme ich es zumindest von den Mitarbeitern des Projektes mit, in dem ich Freiwillige bin. Sie arbeiten an sechs Tagen die Woche und haben kaum Urlaub. Vor allem bangen sie jedes Jahr im Dezember, ob ihr befristeter Arbeitsvertrag verlängert wird. Und das hängt auch davon ab, ob sie das System unterstützen oder nicht. So sagen sie: Wer demonstrieren geht, könne davon ausgehen, seinen Job in der staatlichen Institution zur Pflege und Förderung behinderter Kinder zu verlieren.