Streitfälle - Nachgefragt: Die Polizei ist auf Twitter politisch
February 17, 2017 - Bydgoszcz, Poland - A model of a German police van is seen alongside the Twitter feed of the Berlin Police on 17 February, 2017
imago/ZUMA Press
"Die Polizei ist auf Twitter politisch"
Was bedeutet es für die Gesellschaft, wenn die Polizei twittert? Wenn sie Stimmung für sich macht und Akteur der öffentlichen Meinung wird? Antworten im Interview mit dem Journalisten Alexander Fanta
Abbi Wensyel
26.04.2018

In Frankfurt, München und Berlin – mehr als hundert Polizeien twittern. Sie berichten von Demonstra­tionen, Kontrollen und schaffen sich eine neue Form der Öffentlichkeit. Warum das kritisch ist, hat der Jour­nalist Alexander Fanta mit einem Team für netzpolitik.org untersucht.

chrismon: Was macht die Polizei auf Twitter?

Alexander Fanta: Mittlerweile ganz viel. Verschiedene städtische Polizeien, Landeskriminalämter und das BKA sind aktiv und machen vor allem Öffentlichkeits­arbeit: Sie berichten von ihrer Arbeit und kommentieren in ­Echtzeit. Aber sie schaffen auch Stimmung für sich, sind politisch – und da überschreiten sie manchmal eine ­Grenze.

Inwiefern?

Grundsätzlich unterliegt die Polizei dem Gebot der Sachlichkeit. Aber bei Twitter stellt die Polizei auch falsche Behauptungen auf, postet ihr eigenen Meinungen oder versucht, witzig zu sein. 

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Alexander Fanta

Alexander Fanta ist Journalist bei  netzpolitik.org und beschäftigt sich mit der digitalen 
Gesellschaft. Gemeinsam mit seinen Kollegen wälzte er einen großen Satz Daten, um einen tieferen Einblick in die Welt der Polizei zu erhalten.

Haben Sie dafür Beispiele?

Während des G20-Gipfels twitterte die Hamburger Polizei, dass Beamte mit Molotowcocktails beworfen worden seien. Etliche Medien übernahmen diese Meldung. Sie schaffte damit ein Bild, das sich später als falsch herausstellte. Das gelangte aber ungefiltert in die Medien. Ein anderes Beispiel: Die Satirezeitschrift "Der Postillon" verkündete, dass ab dem ersten April die Notruf­nummern der Polizei kostenpflichtig seien. Ein Aprilscherz. Ein User fragte die Polizei Nordhessen auf Twitter, ob das stimme. Und die antwortete, sarkastisch, dass das wahr sei. Das klingt jetzt humorbefreit. Aber die Menschen müssen davon ausgehen, dass die Polizei nur sagt, was stimmt.

Sehen Sie darin eine Gefahr?

Die Frage ist, was passiert, wenn  Apparate des Staates zu Akteuren der öffentlichen Meinung ­werden. Das kennen wir bisher nicht. Die Verwaltung hat in Deutschland keine eigene Meinung. Jetzt aber nehmen Social-­
Media-Teams verschiedener Polizeien auf Twitter eine Auswahl vor, was sie posten, sie entscheiden, welche Straftaten sie zeigen und welche nicht, und ob sie beispielsweise die Herkunft des Täters nennen oder nicht. Das beeinflusst die öffentliche Meinung. Und das sollte dringend diskutiert werden. In den letzten drei Jahren sind über 100 Polizeien auf Twitter aktiv geworden. Vor 2015 gab es das kaum.

Wer bestimmt die Twitter-Richtlinien der Polizei?

Das ist völlig unterschiedlich, nicht transparent, und ­da liegt das Problem. Wir haben nach Leitlinien gefragt, aber die Polizeiverbände haben gesagt, sie hätten keine, oder haben sie uns nicht gegeben. Jetzt verlangen wir nach dem Informationsfreiheitsgesetz Einsicht in diese Richt­linien.

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