Seit Kriegsbeginn vor sechs Jahren habe ich mehr als 230 Menschen beerdigt, die bei Bombenangriffen gestorben sind. Viele Stadtviertel von Aleppo sind nicht mehr wiederzuerkennen. Für die 350 Kilometer nach Beirut, wohin ich regelmäßig muss, brauche ich mit dem Auto rund zehn Stunden. Es gibt Scharfschützen, die den Fahrern auf dem Weg auflauern. Mehrmals versuchten islamistische Rebellen, mich zu entführen. Sie wissen: Wenn der Pfarrer fehlt, bröckelt die Gemeinde.
Und das wollen sie. Sie wollen uns Christen aus dem Land vertreiben. Gerade wir Armenier aber wollen bleiben. Syrien ist unsere Heimat. Während des türkischen Genozids vor einem Jahrhundert fanden Überlebende hier Asyl, wofür wir bis heute dankbar sind. Tausende armenische Waisenkinder bekamen ein neues Zuhause, die meisten in Aleppo.
Unsere Kirche ist ein Ort der Hoffnung
Diese Stadt wurde zum Zentrum der evangelischen Armenier, die heute in ganz Syrien neun Kirchen und sechs Schulen unterhalten. Unsere Kirche in Aleppo ist gerade im Bürgerkrieg ein Ort der Hoffnung. Zu den Gottesdiensten kommen mittlerweile 350 bis 450 Besucher, zur Sonntagsschule an die 400 Kinder. Mit Spenden aus dem Ausland konnten wir 2013 in unseren Gebäuden eine Klinik für Kriegsverletzte und chronisch Kranke eröffnen, Bedürftige mit sauberem Wasser versorgen oder ihnen auch finanziell helfen. Viele Menschen hier sind traumatisiert durch das, was sie im Krieg erlebten, sie bekommen psychologische Hilfe.
Und ganz wichtig: Unsere Schulen bleiben weiter offen – auch für die Kinder, deren Eltern sich das Schulgeld nicht mehr leisten können. Drei Millionen syrischer Kinder gehen derzeit nicht regelmäßig zur Schule. Es wächst eine Generation ohne Hoffnung heran. Sie könnte später einmal wieder gewalttätig werden. Auch deshalb muss ich bleiben. Gott hat mir diese Aufgabe gegeben, und ich weiche davor nicht zurück.