Auslandspfarrerin Susanne Blatt
Das letzte Mal in „ihrer“ St. Gertrudskirche in Stockholm: Auslandspfarrerin Susanne Blatt
Foto: Emma Eriksson Photography
Abschied
Segregation gibt es auch in Schweden. Das fällt der Auslandspfarrerin bei ihrem Abschied noch einmal besonders auf
Foto: Privat
20.09.2016

Ich verlasse Schweden. Das Land der weiten Horizonte, der unendlichen Wälder und der Vielfalt der Lebensstile. Mir ist es in den vergangenen sieben Jahren zur ­Heimat geworden, und ich werde Stockholm vermissen, die Großstadt, in der ­immer ein frischer Wind weht.

Auf der letzten Fahrt mit unserem Auto begleitete mich mein zehnjähriger Sohn. Wir fuhren in den Vorort Rinkeby und übergaben den Wagen etwas wehmütig dem neuen Besitzer Muhammed. Er ist ­Syrer und will ihn für seine Tochter herrichten, die bald auch nach Schweden kommt, so hofft er. Rinkeby ist eine ganz andere Welt als das Bilderbuch-Stockholm der Innenstadt, wo wir auch wohnen. „Hier waren wir noch nie“, sagte mein Sohn.

Die Autorin

###drp|igwMe4BFaAol_qwXUeeaXTpV00154920|i-43|Foto: Emma Eriksson Photography|###Susanne Blatt wird nach der Rückkehr aus Palästina als Pfarrerin in Leutenbach arbeiten. Ihre Gemeinde in Stockholm: svenskakyrkan.se/deutschegemeinde

Ihm fielen die vielen Hochhäuser auf, die aus einem Millionenprogramm für Wohnungsbau der 60er Jahre stammen. Und dass an der U-Bahn-Station praktisch nur Menschen mit dunkler Hautfarbe zu sehen waren. Segregation gibt es eben auch hier in Schweden und nicht erst, seit das Land seine liberale Asylpolitik aufgegeben hat. Wer es als Migrant von Kopenhagen nach Malmö geschafft hat – was ja ein echtes Kunststück ist, nachdem Schweden im Januar 2015 die Grenzen zu Dänemark schloss – zieht bestenfalls in einen Vorort Stockholms. Wahrscheinlicher aber in eine der dünn besiedelten und strukturschwachen Gegenden in Norrland, der nördlichen Landeshälfte. Seit der Ver­schärfung des Asylgesetzes im Juli 2016 gibt es zudem nur noch befristete Aufenthaltserlaubnisse, und der Familiennachzug ist so gut wie abgeschafft. Jetzt kommen kaum noch Flüchtlinge in das Land.

Schweden hat sich verändert. Wie ganz Europa. Es sind neue Grenzen und Mauern entstanden. Ich werde selbst bald einige Grenzen überschreiten. Mein Ticket geht via Frankfurt nach Tel Aviv, von dort nach Tulkarem und Qualqilia, zwei palästinensische Orte im besetzten Gebiet, die direkt an der israelischen Sperranlage liegen. Ich werde als ökumenische Begleiterin für drei Monate mit den Menschen an dieser spannungsreichen Grenze leben. Präsent sein, beobachten, berichten. Hoffentlich geht alles gut... Das wünsche ich mir für mich – und für Muhammed in Rinkeby.

Die Kommentarfunktion ist nur noch für registrierte Nutzer verfügbar. Um einen Leserkommentar schreiben zu können, schließen Sie bitte ein Abo ab, schreiben Sie uns eine Mail an leserpost@chrismon.de oder diskutieren Sie auf Instagram, Facebook und LinkedIn mit.