Hijras in Indien und Nepal
Hijras führen ein Leben zwischen Mann und Frau
Anita Khemka/PhotoInk
Das dritte Geschlecht
Transgender sind in Asien kulturell akzeptiert und doch am Rand der Gesellschaft. Besonders im Alter
23.06.2016

Ich sitze im Taxi und lese. Plötzlich kommt eine Hand durchs Fenster, jemand streichelt meinen Arm. Ich schrecke auf und bemerke erst jetzt, dass wir an einer belebten Kreuzung Mumbais stehen und Hijras scherzend und schäkernd zwischen den wartenden Autos herumlaufen, sexu­elle Anspielungen machen und die Insassen um Geld anbetteln. Hijras sind Angehörige des sogenannten dritten Geschlechts, sie gelten weder als Männer noch Frauen, ­treten aber oft grell geschminkt und in bunten Frauengewändern auf. Da ich kein Geld gebe, lüftet diejenige, die mich angebettelt hat, den Sari und stößt laute Verwünschungen aus. Der Fahrer fährt schnell an und erspart mir Weiteres.

###autor###Als ich das Monate später Parsurai erzähle, einem Gender-Aktivisten in Nepal, lacht dieser laut. So kennt man die Hijras. Als ich ihn frage, welche sozialen und persönlichen Perspektiven sie haben, wird er jedoch sehr ernst. In Nepal, Indien, Pakis­tan und Bangladesch sind sie seit Jahrhunderten „kulturell akzeptiert“. Seit einigen Jahren ist das dritte Geschlecht hier auch formaljuristisch anerkannt und kann in den Ausweis eingetragen werden. Und doch sind diese Gesellschaften in Fragen der Sexualität sehr traditionell, fast prüde, sodass nur ein Nischendasein möglich ist. Man begreift die Hijras zum einen als Heilige und engagiert sie an Festtagen, um neugeborene Jungen zu segnen oder für Brautpaare zu tanzen.

Sie sehen sich auch selbst als Kinder Gottes, als Schutzbefohlene der Hindu-Gottheiten Bahuchara Mata und Shiva. Zum anderen aber werden Hijras verspottet und ausgegrenzt, viele wurden von ihren Familien verstoßen, in richtige Berufe kommen sie  nur schwer hinein. So bleibt oft nur die Prostitution, was sie der Willkür von Freiern, Polizisten und Gerichten sowie der Gefahr einer HIV-­Infektion aussetzt. Sie werden so noch weiter an den Rand der Gesellschaft gedrängt. 

Die Gemeinschaft der Hijras ähnelt einer Kaste. Sie leben in Kommunen in familienähnlichen Haushalten, denen jeweils ­eine ältere Hijra als Guru vorsteht. Diese lehrt die Segnungsrituale und Tänze, verteilt das damit gesammelte Geld und verauslagt zum Beispiel die Kosten für die – nicht ­selten tödlich ausgehenden – Genitalamputa­tionen, denen sich manche Hijras rituell unterziehen. „Im Alter aber sind sie ganz allein“, sagt Aktivist Parsurai. Niemand begleite sie bei Krankheit und im Sterben. Er will ein Altersheim für Hijras gründen, das erste in Nepal. Dafür sammelt er Geld, aber es sei nicht leicht, die Leute von dieser Idee zu überzeugen.

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Sehr geehrter Herr Lesinski, bei einer Suche traf ich auf ihren Artikel und wunderte mich über den Inhalt. Ich habe etwa 27 Jahre in Indien gelebt und war etwa 5 Jahre kreuz und quer in Indien unterwegs, vor allem um Kinderheime zu betreuen. Ich hatte einige Male mit Hijras zu tun und empfinde es einen krassen Fehltritt zu behaupten, diese seien Transmenschen. Das liest man inzwischen zwar auch bei Wikipedia und vielen anderen Seiten und das scheint so gut zur woken Trans-Bewegung zu passen, aber dadurch dass das nun fast überall behauptet wird, wird es noch längst nicht zur Wahrheit. Die allermeisten sind Eunuchen und nicht freiwillig. Ich will das jetzt hier nicht alles erklären, sondern sie bitten lieber selber kritisch zu recherchieren und sie bitten zuerst den Artikel mit folgenden Link zu lesen: https://www.indiatimes.com/news/lgbtq-the-truth-about-how-hijras-are-made-in-india-because-they-re-not-always-born-that-way-257525.html
Mit freunlichen Grüßen
Jürgen Eisenberg