AFP/Getty Images/ANGELOS TZORTZINIS
22.08.2013

Der Erzbischof von Griechenland sagte neulich: Deutschland müsse sich entscheiden, ob es ein europäisches Deutschland wolle – oder ein deutsches Europa. Damit brachte er den Argwohn vieler Griechen auf eine knappe Formel. Die Erinnerung an Zeiten der deutschen Besatzung ist hier noch lebendig.  Die Anwesenheit der „Herrenmenschen“, wie hier vereinzelt zu hören ist, bedeutete für die Griechen wirtschaftliche Ausplünderung und Terror.

Trotzdem hätte ich den Erzbischof gerne gefragt, ob Griechenland denn seinerseits europäisch werden wolle, das hieße auch, sich der Moderne des 21. Jahrhunderts zu öffnen. Zu den erfreulichen Errungenschaften dieser Moderne gehören für mich Effektivität und Transparenz. Würde die griechische Verwaltung nach diesen Kriterien arbeiten, wäre der gordische Knoten, der die Kreativität der Menschen hier geknebelt hält, mit einem Schlag gelöst. Sie könnten zeigen, wozu sie fähig sind.

Ich habe durchaus Sympathien für Jahrtausende alte Traditionen. Selbst für Eselkarren. Auf der Insel Hydra zum ­Beispiel gibt es keine Autos. Das sind doch paradiesische Zustände. Ein exemplarischer Gegenentwurf zum „Höher, schneller, weiter“. Ich wäre sofort dabei – wenn ich mein Laptop mitnehmen könnte.

Wenn ich die Kommentare zu Griechenland in der deutschen Presse lese, frage ich mich allerdings auch, ob die Deutschen europäisch werden wollen. Die dort aufgestaute Selbstgerechtigkeit und Häme, verbunden mit der Angst, durch die Griechen, die man als faul und betrügerisch darstellt, in die Altersarmut getrieben zu werden, nimmt zuweilen bizarre Züge an.

Es beklemmt mich, wie viel latenter Chauvinismus auf beiden Seiten durch die Eurokrise aufschäumt. Dagegen will unsere deutschsprachige Gemeinde in Athen jetzt ein Zeichen setzen: mit einem Austauschprogramm für Freiwillige. Zehn griechische Jugendliche gehen nach Deutschland, genauso viele kommen nach Griechenland, um für ein Jahr in sozialen Einrichtungen zu arbeiten. Sie werden, wie wir hoffen, hier wie dort die stumpfsinnigsten Vorurteile überwinden – und damit ein wenig europäischer werden.

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