chrismon: War es richtig, dass der WJC in Ungarn tagte?
Peter Feldmajer: Wir brauchen die Solidarität jüdischer Gemeinden weltweit, angesichts unserer Probleme mit den Rechtsextremisten hier. Die Eröffnungsrede von Premierminister Orbán war sehr wichtig für die Anhänger seiner Partei. Er machte klar, dass ein anständiger Mensch kein Antisemit sein kann.
Orbán wollte im Vorfeld des Kongresses die Motorradparade an der Großen Synagoge in Budapest unter dem Motto „Gib Gas!“ verbieten lassen.
Eine Rockervereinigung plante diesen Motorradzug ausgerechnet am Yom Hashoah, am Holocaust-Gedenktag. Das war eindeutig eine Provokation. Die Polizei verbot ihn. Dann aber benannten die Organisatoren ihre Parade in „Frühlingsfest“ um und verlegten sie in einen anderen Stadtteil. Die Veranstaltung wurde zugelassen. Ich bin besorgt, dass wir kommendes Jahr das gleiche Problem wieder haben.
Welcher Vorfall aus den vergangenen Jahren schockiert Sie besonders?
Als der Jobbik-Abgeordnete Márton Gyöngyösi Ende 2012 im Parlament forderte, dass alle ungarischen Juden registriert werden – angeblich, weil sie anlässlich der Auseinandersetzungen um den Gaza-Streifen „ein Risiko für die nationale Sicherheit“ darstellen. Empört hatte mich auch kurz zuvor eine Gedenkveranstaltung zum Vorfall von Tiszaeszlár. In dem ungarischen Dorf standen 1882 Juden vor Gericht, weil sie angeblich zum Pessachfest ein 14-jähriges christliches Bauernmädchen rituell ermordet hätten. Zum Glück endete das Verfahren 1883 mit Freispruch. Die Rechtsextremen wiederholen die alten Anschuldigungen gegen Juden.
Kokettiert die Regierungspartei mit Rechtsextremisten?
Sie hat schon einiges gegen die Extremisten unternommen, aber nicht genug. Vor allem tut sie zu wenig gegen die Antisemiten in den eigenen Reihen. Die verantwortlichen Politiker müssen den Ungarn klar machen, dass Antisemitismus nicht Teil des politischen Diskurses sein darf. Er ist ein Verbrechen.