Eine Trauerfeier im Hafen von Valletta, der maltesischen Hauptsatdt.
Foto:privat
An Maltas Stränden werden immer wieder Leichen angespült: Flüchtlinge aus Nordafrika, die während der Überfahrt ums Leben kamen. Die deutschsprachige Andreasgemeinde Malta gestaltet Gedenkfeiern in Valetta.
26.07.2012

Die Flüchtlingslager auf Malta sind voll, übervoll. Die Mittelmeerinsel ist eines der Hauptziele von Bootsflüchtlingen aus Nordafrika. Aber nicht alle Flüchtlinge schaffen es bis hierher. Sie sterben auf der Überfahrt, die Leichen werden in einem vollen Flüchtlingsboot mitgeführt oder von der Marine aus dem Meer geborgen. Direkt bekommen wir das nicht mit, aber natürlich durch die Presse. Und wir leben auf der Insel, vor der das passiert. Wie gehen wir als Gemeinde mit dem Thema um? Wie gedenkt man der toten Flüchtlinge in angemessener Weise?

Am Fischmarkt in Valletta haben sich am frühen Abend ein paar Dutzend Menschen eingefunden, Gemeindemitglieder, Mitglieder der schottischen Gemeinde, der anglikanischen Kirche, eine Handvoll Touristen, einige Muslime, ein paar Afrikaner. Sie sind zusammengekommen, um ein „Interfaith Prayer & Remembrance Service“ zu halten – ein interreligiöses Gebet und eine  Feierstunde. Was können wir aus christlicher Perspektive beisteuern?

Wellen tragen die Nelken fort

Wir singen Lieder, lesen aus Matthäus 25, dem Gleichnis vom Weltgericht: „Ich war ein Fremder, und ihr habt mich in eure Häuser aufgenommen“. Der Imam ruft auf zu Mitgefühl und Solidarität: Wir alle seien Flüchtlinge, angefangen von Adam und Eva, die den Garten Eden verlassen mussten, über viele, viele Gestalten aus der langen Geschichte der Religionen bis hin zu seiner eigenen Lebensgeschichte. Er ist Palästinenser. Und auch er habe sein Land verlassen müssen und könne nicht in seiner Heimat leben und hoffe darauf, dass er eines Tages wieder heimkommen werde.

Die Teilnehmer des Gottesdienstes werfen Nelken ins Meer. Es dauert einige Zeit, bis die Wellen sie forttragen, und die Kinder schauen ihrer Blume nach. Dann nimmt sich jeder ein kleines Kärtchen, schreibt den Namen eines Flüchtlings darauf und nimmt es mit. Die Namen der toten Flüchtlinge, die im Frühling vor unserer Küste ertrunken sind, kennen wir aber gar nicht. Und so bleiben auch viele Karten leer. Sie stehen für den unbekannten Flüchtling, den, dessen Sehnsucht nach einem anderen, besseren Leben von den Wassern des Meeres überspült wurde. Damit seiner gedacht werde.

Was tun, damit diese Menschen nicht zu Opfern werden?

Bonhoeffer schrieb einmal, man müsse „dem Rad in die Speichen greifen“, dürfe als Kirche nicht nur Opfer beerdigen, sondern sei verpflichtet, alles zu tun, um Menschen gar nicht zu Opfer werden zu lassen. Wo setzt man in diesem Fall an? In Brüssel bei der EU, wo man gar nicht so recht weiß, wie man sich verhalten soll?  Wo Abkommen getroffen werden wie „Schengen“ und „Dublin II“, die auf Abschottung setzen?

In Berlin, wo man die Einkommensgrenze für willkommene Ausländer ein wenig gesenkt hat, ansonsten sich als „nicht zuständig“ erklärt? In Malta, wo man sich durchaus bemüht, aber ständig überfordert fühlt? Wir wissen noch nicht genau, wo unsere Nische ist, wo wir mit unseren begrenzten Mitteln und Kapazitäten helfen können.

Mehr Fragen als Antworten

Wir werden uns auch im nächsten Jahr am Weltflüchtlingstag beteiligen, den der Flüchtlingsdienst der Jesuiten (JRS) vorbereitet. Aber einige unserer Gemeindemitglieder wünschen sich konkretere Hilfe: „Bitte, tut was. Wir spenden!“ Mit dem Geld haben wir ein Fest in einem der Lager unterstützt: Dort gab es Informationen und Musik, afrikanisches Essen, eine Kunstausstellung, ein Fußballturnier.

Nein, keine strukturelle Veränderung, keine politische Ansage. Aber ein Stück Lebensfreude, ein wenig Zuwendung, eine Auszeit. Uns stellen sich im Moment mehr Fragen, als dass wir Antworten hätten. Schnelle und einfache Lösungen gibt es nicht, aber Menschen, die das lebbare Leben suchen und finden wollen.

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