"Auf den Spuren von Martin Luther“ von Matthias Gretzschel
Mit Martin Luther auf Reisen gehen - eine Spurensuche
Foto: Privat
01.09.2015

Mit „Auf den Spuren von Martin Luther“ präsentiert Theologe Matthias Gretzschel eine Biographie der etwas anderen Art: Er führt den Leser zu den wichtigsten Lebensstationen Luthers und schildert anhand dieser Orte Leben und Wirken des Reformators.

Ellert + Richter
Martin Luther war ein Mann, der viel gereist ist: Es verschlug ihn nach Eisenach, Magdeburg und Wittenberg, nach Worms, Augsburg, Zwickau und Leipzig. Einmal reiste er im Auftrag seines Klosters sogar nach Rom. Das klingt aus heutiger Sicht nicht besonders abenteuerlich, doch im 16. Jahrhundert, in dem Auslandsreisen noch längst keine Selbstverständlichkeiten waren, stellte jeder Ortswechsel einen großen Aufwand dar – zumal Luther den Weg nach Italien zu Fuß zurücklegte.

Matthias Gretzschel, evangelischer Theologe und Journalist, glaubt an den „genius loci“, an „jene eigentümliche Ausstrahlung historisch bedeutsamer Orte“, die Touristen und Geschichtsinteressierte anzieht. Folgerichtig heißt das neueste Buch des in Hamburg lebenden Kirchen- und Religionsexeperten dann auch: „Auf den Spuren von Martin Luther“. Der Autor erzählt die Lebensgeschichte des Reformators anhand von Orten, die eng mit dessen Biographie verknüpft sind. Was dabei herauskommt, ist eine Art literarische Reise durch deutsche Städte des frühen 16. Jahrhunderts: Los geht es in Eisleben, der Geburtsstadt Luthers, in der man heute im nachgebauten Geburtshaus des Reformators eine Gedenkstätte besuchen kann. Danach führt Gretzschel den Leser in die Städte Magdeburg und Eisenach, in denen Luther seine Schulzeit verbrachte. Später geht es ins thüringische Wittenberg, wo er als Mönch und Professor im Jahre 1517 seine berühmten 95 Thesen formulierte. Natürlich darf auf einer solchen Reise auch Worms nicht fehlen, die Stadt, in der er sich 1521 weigerte, vor Kaiser und Reich seine Thesen zu widerrufen. Ebenso wenig wie die Wartburg, auf der Luther nach seiner Verbannung ein Jahr unter dem Name „Junker Jörg“ untertauchte.

Umfangreiches Porträt des Theologen Luther

In verständlicher Sprache und in chronologischer Reihenfolge schildert Gretzschel die Lebensstationen Luthers, immer wieder unterfüttert mit Zitaten des Reformators und illustriert mit vielen Fotos und Gemälden. Ob Luthers Geburtshaus, der Erfurter Dom oder das Kloster Marienthron, in dem seine Frau Katharina von Bora viele Jahre als Nonne lebte: Gretzschel beschreibt mit Liebe zum Detail, wie die Orte zu Lebzeiten des Reformators vermutlich ausgesehen haben, wie sie sich über die Jahre verändert haben und was heute von ihnen übrig geblieben ist. Dabei kommt auch die ein oder andere Anekdote nicht zu kurz. Zum Beispiel die des Tintenflecks an der Wand von Luthers Zimmer auf der Wartburg, der immer wieder erneuert werden musste, weil „reliquiensüchtige Lutherverehrer“ ihn ständig abkratzten.
Gekonnt arbeitet Gretzschel die reformatorische Leistung Luthers und dessen ständige Suche nach der richtigen Beziehung zu Gott heraus. Alles in allem gelingt ihm ein umfangreiches Porträt des Theologen Luther mit all seinen Zielen und Zweifeln und so stört es kaum, dass der Privatmensch Luther dabei eher blass bleibt.

Wer jedoch eine kritische Auseinandersetzung mit der Person Luthers sucht, ist mit Gretzschels Buch eher schlecht beraten. Die antisemitischen Äußerungen des Reformators etwa erwähnt Gretzschel nur in einem einzigen Satz – und dort auch nicht als Kritik an Luther, sondern als Vorwurf an die Nationalsozialisten, die Äußerungen für ihre Holocaust-Ideologie missbraucht zu haben. Darüber hinaus wird Gretzschel nicht müde, die außerordentliche Intelligenz und Redegewandtheit Luthers zu betonen, negative Eigenschaften des Reformators wie etwa dessen starke Stimmungsschwankungen werden dagegen nur am Rande erwähnt. „Die Bedeutung Martin Luthers lässt sich kaum überschätzen“, schreibt Gretzschel gleich im ersten Satz seines Buches und auf den darauffolgenden Seiten wird immer deutlicher, dass man es bei ihm nicht nur mit einem großen Lutherkenner, sondern auch mit einem überzeugten Bewunderer zu tun hat.

 „Wo Luther hinkam, hinterließ er Spuren“

Den unkritischen Erzählstil verzeiht man Gretzschel jedoch insofern, als dass sein Buch explizit keine herkömmliche Biographie sondern ein Reisebuch darstellen soll. Wer also Wissenslücken in Sachen Lutherbiographie schließen und nebenher noch Inspirationen für den nächsten Wochenendtrip sammeln möchte, kommt in Gretzschels Buch voll auf seine Kosten. Vor allem der ausführliche Anhang „Lutherstätten in Deutschland von A bis Z“, in dem lexikonartig alle Lebensstationen des Reformators, Luthermuseen und –denkmäler mit Fotos und Adressen vorgestellt werden, macht Lust darauf, sich selber auf Spurensuche zu begeben. An Auswahl dafür mangelt es, wie Gretzschel eindrucksvoll beweist, sicherlich nicht. Und auch Martin Treu, Geschäftsführer der Luther-Gesellschaft, bemerkt im Vorwort des Buchs: „Wo Luther hinkam, hinterließ er Spuren“.

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