Ein Krimi im Heimmilieu von Gisa Klönnes und eine Neuübersetzung von. Carson McCullers "Frankie".
Tim Wegner
Portrait Anne Buhrfeind, chrismon stellvertretende ChefredakteurinLena Uphoff
15.12.2011

Es gibt nur einen Schatz, den das Heimkind hütet wie ein Heiligtum. Das Foto der Mama. Die Mama, die irgendwann kommen wird und das Kind wieder nach Hause holen. Als die Heimleiter dem Jungen das Foto aus der Hand nehmen und es ganz genüsslich mit einem Feuerzeug verbrennen, schmiedet das Heimkind einen  grausamen Racheplan.
Der Plot im neuen Krimi von Gisa Klönne ist hoch brisant: Die psychischen Grausamkeiten in deutschen Kinderheimen in den 50er Jahren. „Haus Frohsinn“ heißt das Heim, in dem „Nichts als Erlösung“ spielt. Der Name ist erfunden, aber die Fakten hat die gelernte Journalistin Klönne, ehemalige Emma-Redakteurin, genau recherchiert. Das Nazi-Erbe, das bis weit in die 50er und 60er Jahre hinein deutsche Kinderheime prägte: Kinder so lange in ein „Besinnungszimmer“ sperren, bis sie nicht mehr weinen. Ihren Willen brechen, ihre Identität nehmen, sie mit Nummern ansprechen und nicht mit Namen. Stimmt alles, wie immer bei Klönne, die das journalistische Handwerk perfekt beherrscht und am Ende auch ihre Quellen nennt.
Detailgenaue Recherche, hoch aktuelle Themen, eine durch und durch menschliche Kommissarin, der jedes pseudo-taffe Fernsehkommissarinnen-Getue abgeht – das sind die Stärken der Klönne-Krimis. Fünf gibt es bislang, für den letzten bekam sie den begehrten Glauser-Preis . Die Autorin, die auch auf Pathologien und Polizeiwachen hospitiert und dabei viel über menschliche Abgründe lernt, ist übrigens gläubige Protestantin. Das hat sie in einer Begegnung in chrismon bekannt. Sie lebt in Köln und reist offenbar gerne nach Griechenland, auch das reichert ihre Krimis mit vielen Bildern, Geräuschen und Gerüchen an. Eine Krimiautorin recherchiert schließlich auch in ihrer Freizeit. Immer im Einsatz. 

Gisa Klönne, Nichts als Erllösung (Ullstein 19,99 Euro)

 

Wie fremd und verloren man sich fühlen kann mit zwölf, frühreif und vibrierend – niemand hat das herzzerreißender beschrieben als die amerikani­sche Autorin Carson McCullers. 1946 ist „Frankie“ erschienen, jetzt wurden McCullers’ Romane neu übersetzt. Eine wunderbare Lektüre, zeitlos und doch mitten in der Welt ihrer Zeit, gute Literatur eben.

Carson McCullers, Diogenes, 19,90 Euro, 283 Seiten

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