- Anmelden, um Kommentare verfassen zu können
Essen und Trinken hält nicht nur Leib und Seele zusammen, sondern ist zudem ein unerschöpflicher Fundus der Literatur. Dass selbst unterschätzte Fischarten wie der Hering ein ganzes Land verändern können, zeigt der Isländer Hallgrímur Helgason, der zu den originellsten europäischen Schriftstellern gehört, in seinem neuen Roman.
Dieser lässt einen Jungen namens Gestur erleben, wie das rückständige Island, wo die größte Attraktion darin besteht, den Eisbergen beim Schmelzen zuzusehen, Ende des 19. Jahrhunderts erwacht und mit dem Fortschritt konfrontiert wird. Auslöser sind die Norweger, die den verdutzten Isländern zeigen, wie sich mit dem "Sonnenschein" der Meere, den Heringsschwärmen, viel Geld verdienen lässt. Helgason macht aus dieser Geschichte ein furioses Epos, das mit komischen Episoden nicht geizt.
Rainer Moritz
Dass sich Sachbücher mitunter wie spannende Romane lesen lassen, führt der Historiker Massimo Montanari vor. Kurzweilig geht er einem italienischen Leibgericht nach, den Spaghetti al pomodoro. Wann und wie wurde diese einfache Mahlzeit zu einem Küchenklassiker? Montanari belegt, dass diese Speise keineswegs nur italienische Wurzeln hat und dass das schöne Tomatenrot erst spät als "spanische Sauce" nach Palermo und Neapel
kam. Spaghetti al pomodoro – ein nationaler Mythos oder eher ein aus vielen Quellen gespeister Küchen-"Bastard"? Montanari gibt darauf bestechende Antworten.
Hallgrímur Helgason: 60 Kilo Sonnenschein. Übers.: Karl-Ludwig Wetzig. Tropen. 569 Seiten, 25 Euro.
Massimo Montanari: Spaghetti al pomodoro. Übers.: Victoria Lorini. Wagenbach. 144 Seiten, 19 Euro.