"Helden widerstehen der Versuchung, ihre eigene Tatenlosigkeit zu rechtfertigen."

Fünf Fragen an Raul Krauthausen

Wann merkten Sie: Ich will oder muss was tun – Ich kann nicht anders? 

Für die Wheelmap war das, als ich mit einem guten Freund in einem Café in Berlin saß. Wir überlegten, welche Lokale man noch mit einem Rollstuhl besuchen kann. Es gab kein Verzeichnis dafür. Wir haben uns dann selbst auf die Suche gemacht, immer geleitet von der einfachen Frage: “Ist der Ort rollstuhlgerecht?”. So entstand die Übersichtskarte Wheelmap, die wir ins Internet stellten, damit jeder Einträge machen kann. Aber für andere Projekte gibt es nicht den einen Auslöser. Ich bin immer schon fragend durch die Welt gefahren. „Muss das wirklich so sein?“ denke ich, wenn ich etwas sehe, was mich stört. Und versuche, Lösungen zu finden. 

Ihr größtes Erfolgserlebnis?

Oh, da ist es schwer, nur eines zu nennen. Wir haben zurzeit auf der Wheelmap mehr als 360.000 markierte Orte weltweit, und jeden Tag kommen weitere 300 Markierungen hinzu – das hätte ich 2010 nicht geglaubt. Andere tolle Erfolge: Für den Verein „Sozialhelden“ erhielt ich im April das Bundesverdienstkreuz. Das Online-Portal „Leidmedien“, auf dem wir für  klischeefreie Berichterstattung über Menschen mit Behinderungen sensibilisieren, wurde für den Grimme Online Award nominiert. Das alles geht aber nicht ohne ein Team. Ich bin dankbar, dass wir bei den Sozialhelden mit einem relativ kleinen Team diese ganzen Projekte schaffen.

Was ärgert sie?

Zum Beispiel, wenn öffentliche Stellen kritisieren, dass unsere Daten auf der Wheelmap keiner DI-Norm der Barrierefreiheit entsprechen. Das stimmt zwar, aber wir sprechen ja auch von einer Karte für “rollstuhlgerechte“ und nicht für “barrierefreie” Orte. Ich finde es schade, wenn man sich auf der Kritik ausruht, und dann nicht selbst handelt.

Was tun Sie für Ihr eigenes Wohl?

Ich mag es, spazieren zu fahren, einfach so durch Berlin, und dabei Dinge zu entdecken: kuriose Aufkleber oder ein interessantes Stück Streetart. Das ist wie eine Schatzsuche.
Ich habe eine andere Perspektive, weil ich kleiner bin als die meisten Menschen.

Von was für einer „besseren Welt“ träumen Sie?

Von einer, in der es keine Wheelmap mehr braucht: Alle öffentlich en Gebäude sind ohnehin für alle zugänglich. Und: Schüler mit und ohne Behinderungen gehen auf dieselben Schulen, der erste Arbeitsmarkt nimmt Menschen mit Behinderungen auf, in TV-Krimis ist auch ein Rollstuhlfahrer mal der Mörder. Verschiedenheit ist keine Besonderheit mehr, sondern kulturelle Vielfalt.

 

Infos zur Person:

Raul Krauthausen ist das Gesicht der Kampagne „Ich kann nicht anders. Menschen, die sich engagieren“. Warum? Weil auch er so ein Mensch ist. Für seinen Verein „Sozialhelden“, der hilfreiche Projekte unterstützt, erhielt der Berliner das Bundesverdienstkreuz. Das Online-Portal „Leidmedien“, das für klischeefreie Berichterstattung über Menschen mit Behinderungen sensibilisiert, wurde für den Grimme Online Award nominiert.
Krauthausens jüngstes Projekt ist die Wheelmap, eine interaktive Karte im Internet, auf der jeder anzeigen kann, welche öffentlichen Gebäude rollstuhl- oder kinderwagengerecht sind. Krauthausen, der wegen der so genannten Glasknochenkrankheit (Osteogenesis Imperfecta) selbst im Rollstuhl sitzt, ist ausgebildeter Telefonseelsorger, studierte Design Thinking, entwickelte eine Kampagne für den Alternativen Nobelpreis und moderierte Radioshows. Er sagt von sich: „Ich bin immer schon fragend durch die Welt gefahren. Wenn ich etwas sehe, was mich stört, denke ich: Muss das wirklich so sein? Und versuche, Lösungen zu finden.“