Ein Flüchtling vor der St. Thomas-Kirche in Berlin Kreuzberg
Ein Flüchtling geht am 12.09.2014 in Berlin vor der St. Thomas-Kirche am Mariannenplatz in Kreuzberg. Seit den Abendstunden des 11.09.2014 halten sich in dem Gebäude Flüchtlinge und deren sogenannte Unterstützer auf. Foto: Paul Zinken/dpa [ Rechtehinweis: (c) dpa ]
Paul Zink/picture alliance/dpa
Zeit gewinnen
„Kirchenasyl“ sagt man. Gemeint ist, dass Gemeinden Einzelfälle sorgfältiger prüfen lassen wollen
Portrait Hanna Lucassen, Redaktion chrismon, Redaktions-Portraits Maerz 2017Lena Uphoff
20.05.2017

"Verdacht auf Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt in Deutschland", das warf die bayerische Staatsanwaltschaft der Haßfurter Pfarrerin Doris Otminghaus vor. Ihre Gemeinde hat junge Männer aufgenommen – einen Afghanen, einen Äthiopier, zwei Kurden. Das Verfahren wurde eingestellt.

Vom Kirchenasyl spricht man mit Verweis auf eine alte kirchliche Tradition. Kein Versuch, die Kirchen über Recht und Gesetz zu stellen, betont Heinrich Bedford-Strohm, bay­erischer Landesbischof und Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland, immer wieder: „Wir wollen Demokratie und Rechtsstaat stärken.“ Kirchenasyl kann nur das letzte Mittel sein, wenn abgelehnten Asyl­bewerbern nach ihrer Abschiebung Menschenrechtsverletzungen oder unzumutbare Härten drohen.

Die Gemeinden informieren die Behörden über das, was sie tun, und warum. Die Kurden im Haßfurter Kirchen­asyl etwa sollen nach Bulgarien und Ungarn abgeschoben werden, wo sie innerhalb der EU zuerst registriert wurden. Doch selbst deutsche Verwaltungsgerichte gehen davon aus, dass eine Abschiebung in diese Länder derzeit unzumutbar sei. Die Haßfurter fordern: Die Behörden sollten genauer prüfen. Auch in den anderen beiden Fällen.
Dass der Äthiopier zurück nach Italien muss, dem stimmt die Gemeinde zu. Nur sollte er dort auch wirklich ins Asylverfahren aufgenommen werden. Ansonsten landen Asylbewerber in Italien auf der Straße. Theo Reichel, in Bayern der Beauftragte für Kirchenasyl, bemüht sich um eine Lösung.

"Der Staat respektiert das Kirchenasyl, sofern es sich um Einzel- und Härtefälle handelt"

Und der afghanische Asylbewerber – er soll nach ­Af­ghanistan zurück. Das Land sei sicher, so der Bundes­innenminister. Zumindest in einigen Landesteilen. Ist es nicht, hatte der UN-Flüchtlingsbeauftragte (UNHCR) in dem Gutachten betont, das der Bundesinnenminister ­zuvor von ihm angefordert hatte.

Anfang 2015 einigten sich Vertreter der Kirchen und des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF): Das BAMF respektiert die Tradition des Kirchenasyls, sofern es bei Einzel- und Härtefällen bleibt. Etwa 530 Menschen sind derzeit im Kirchenasyl. Zum Vergleich: Seit Anfang 2017 wurden über 100 000 Asylanträge abgelehnt.

Die Ökumenische Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) Asyl in der Kirche erhebt Zahlen, sucht den Dialog mit der Politik und vernetzt die Helfer. „Auch im Rechtsstaat passieren Fehler“, sagt die Vorsitzende, Pfarrerin Dietlind Jochims. Sie unterstützt die Gemeinden und Pfarrer, jetzt vor allem in Bayern, wo die Staatsanwaltschaft verschärft ermittelt – obwohl bislang alle Ermittlungen wegen geringer Schuld wieder eingestellt wurden. „Auf die Gemeinden wird Druck ausgeübt“, sagt Jochims. „Wir lassen sie nicht allein.“

Spendeninfo

Das kann ich tun: Gut informieren!

Wer einem abgelehnten Asylbewerber wirklich helfen will, sollte in jedem Fall vorher genau die Rechtslage kennen. Infos gibt die Ökumenische Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) Asyl in der Kirche e. V., man kann sie als Vereinsmitglied oder durch Spenden unterstützen.

BAG Asyl in der Kirche
Zossener Str. 65, 10961 Berlin
kirchenasyl.de

Bankverbindung:
KD-Bank Duisburg
BIC: GENODED1DKD
IBAN: DE68 3506 0190 1013 1690 19

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Ihre verfassungsfeindlichen Auffassungen zum “Kirchenasyl” sind in unserem demokratisch verfaßten Rechtsstaat ebenso unerträglich wie der Verweis auf eine angeblich “alte kirchliche Tradition”, die mir frei erfunden erscheint und nirgendwo historisch belegt ist. Während der fürchterlichen Nazi-Herrschaft waren jedenfalls die beiden christlichen “Amtskirchen” zu feige für ein Kirchenasyl und ließen lieber so wackere Gottesmänner wie Pfarrer Dietrich Bonhoeffer oder Pater Alfred Delp aufs Schafott gehen, statt sie zu beschützen. Heute hingegen ist “Kirchenasyl” angesichts einer weitgehend links-orientierten Medienlandschaft nicht nur völlig ungefährlich, sondern sogar wohlfeil und beifallsträchtig. Scheinheilig und voller Widersprüche sind auch des EKD-Ratsvorsitzenden Heinrich Bedford-Strohm zitierte Aussagen, die Kirchen wollten sich  nicht über Recht und Gesetz stellen, wenn er fort fährt, “wir wollen Demokratie und Rechtsstaat stärken” und  geradezu gönnerhaft-gnädig “Kirchenasyl nur als letztes Mittel verheißt, wenn abgelehnten Asylbewerbern nach ihrer Abschiebung Menschenrechtsverletzungen oder unzumutbare Härten drohen”. Dem evangelischen Landesbischof Bedford-Strohm stünde es gut an, sich ganz im Sinne unseres Herrn Jesus auf seine seelsorgerischen Aufgaben zu konzentrieren und seine Fürsorge vor allem pflegebedürftigen, alten, kranken, schwachen und armen Mitbürgern angedeihen zu lassen.

Schon ein kurzer Blick in unser Grundgesetz (GG) wird ihn erkennen lassen, welch blühenden verfassungswidrigen Unsinn er von sich gibt. Das in Art. 20 GG verankerte Rechtsstaatsprinzip weist das Gewaltmonopol ausnahmslos dem Staat zu, für irgendwelche selbst konstruierte Ausnahmen etc. besteht nicht der geringste Spielraum, vielmehr stellen sie eklatante Rechtsverstöße dar, die ohne Ansehen der Person zu ahnden sind.

Freundliche Grüße

Manfred und  Ute Schmidt, Baldham

Auch der Fraktionssprecher von FBU/AfD im Vaterstettener Gemeinderat, Herr Manfred Schmidt, könnte wissen, dass im Art. 20 GG nirgendwo das Wort Gewaltmonopol vorkommt. Er hat freilich trotzdem damit Recht, dass das Gewaltmonopol vom Staat beansprucht wird. Insofern ist Herrn Schmidts Bedauern über das fehlende Schutzverhalten der Kirchen den Herren Bonhoeffer und Delp gegenüber widersprüchlich und fadenscheinig. Auch der damalige Staat brachte die genannten Herren vom Leben zum Tode, da er das Gewaltmonopol beanspruchte. Es passt also nicht, einerseits das staatliche Gewaltmonopol anzuhimmeln, andererseits Krokodilstränen zu vergießen, wenn es dann praktiziert wird.
Das Gewaltmonopol des Staates ist eine der wesentlichen Gemeinsamkeiten von Demokraten und Faschisten. Das könnte zu denken geben weit über die taktischen Spielchen der AfD hinaus.

Thea Schmid