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Es ist heiß und laut in der Küche. Dampf hängt in der Luft. Victor bewegt sich leichtfüßig über den etwas rutschigen Boden. Azubi im zweiten Lehrjahr, ein lässiger, sehr schmaler Achtzehnjähriger, die Dreadlocks zum Zopf gebunden. Die Brühe muss in die vorgewärmten Teller, jetzt schnell? Ja klar, mach ich, nur keine Hektik. Stress, das will niemand hier im Kulturwerk Stuttgart. Nicht der Küchenchef, der freundlich und geduldig ist mit seinen Jungs, aber eben auch die besetzten Tische im Gastraum sieht. Nicht die junge Programmleiterin, die in dem ehemaligen Fabrikgebäude Theater-, Film- und Tanzabende organisiert. Vor allem aber sind es die Beschäftigten, die keinen Stress und Druck wollen, denn damit können viele nicht gut umgehen.
Das Kulturwerk ist kein ganz normaler Betrieb, sondern ein Projekt des diakonischen Sozialunternehmens Neue Arbeit. Hier arbeiten und lernen rund sechzig Männer und Frauen, die woanders keine Jobs bekommen. Weil sie suchtkrank sind oder psychisch labil. Oder sich nach jahrelanger Arbeitslosigkeit nichts mehr zutrauen. Sie werden ermutigt, in ihrem Tempo gefördert und in allen Abteilungen eingesetzt: Gastronomie, Verwaltung, Öffentlichkeitsarbeit, Veranstaltungs- und Haustechnik. Für zehn bis 30 Stunden die Woche, 1,50 Euro die Stunde oder ohne Entgelt, je nach Beschäftigungsmaßnahme.
Mitleid allein bringt langfristig keine Kunden
Sieben Hauptamtliche halten die Fäden in der Hand, darunter Küchenchef Anselm Köchert, ein drahtiger Mann mit offenem Lachen, der hier zwangsläufig andere Maßstäbe anlegt als anderswo. „Wenn zehn auf dem Dienstplan stehen, sind manchmal nur fünf da. Der Laden muss trotzdem laufen.“ Er weiß, dass seine Leute oft hart mit sich kämpfen, und lässt gerade deshalb nicht locker. Hier sollen sie das ja lernen: pünktlich und zuverlässig zu sein. Und mit Druck klarzukommen.
Köchert selbst kann das. Schließlich kommen jeden Mittag an die achtzig Gäste zum Essen. Nachbarn und vor allem Angestellte der umliegenden Betriebe, die nicht allzu
viel Zeit haben. „Das Essen ist super“, sagt eine Sachbearbeiterin, „aber manchmal muss man zu lange warten, dafür ist meine Mittagspause zu kurz.“ Mitleid und soziales Gewissen bringen niemanden langfristig hierher.
Die Leistung muss stimmen, da ist es dann doch ein normaler Betrieb. Azubi Victor grinst leicht: „Besser als normal. Ein bisschen wie Familie. Ich weiß, wofür ich aufstehe. Hatte ich schon länger nicht mehr, dieses Gefühl.“ Er hat das Gymnasium mit 15 abgebrochen, zu viel Druck, hing zu Hause ab, kriegte nichts mehr auf die Reihe, wie er sagt. Im Kulturwerk ist das anders. Er ist gut. Nach der Ausbildung wird er sich bewerben, als Koch. Stressiger Job? „Damit kann ich umgehen.“
Soziale Unternehmen wie das Kulturwerk in Stuttgart unterstützt man am besten dadurch, dass man hingeht: zum Essen, ins Theater, ins Kino. Man kann aber auch Geld spenden.
Bankverbindung: Sozialunternehmen Neue Arbeit gGmbH, Evangelische Bank, IBAN DE21 5206 0410 0000 4164 36, Stichwort Kulturwerk.
Ostendstraße 106 A, 70188 Stuttgart kulturwerk.de