Der Jesus des Johannesevangeliums ist sich immer selber weit voraus. Schon früh weiß er von seiner Kreuzigung. Er weiß auch, dass sie nicht seine Vernichtung, sondern seine Erhöhung ist. Im Verhör vor Pilatus ist er nicht der Verhörte, sondern der Verhörende. Zusammenbruch, Unsicherheit, Angstschweiß und Gottverlassenheit kennt er nicht. Es ist fast, als hätte dieser Gottessohn vergessen, Mensch zu werden.Warum aber hat Johannes Jesus so gezeichnet? Vielleicht braucht man beide Figuren: den uns nahen Christus, der uns kennt, weil er sich in unseren Masken in der Welt herumtreibt, in unserem Leiden, in unseren Zusammenbrüchen, in unseren Ängsten und Niederlagen. Aber auch den uns fernen Christus, dessen Unverwundbarkeit schon in seinen Wunden erscheint, dessen Tod Erhöhung ist und nicht Untergang. Damit hat die junge verfolgte johanneische Gemeinde ihren Sieg schon in die eigenen Untergänge geschrieben.
Reminiszere
Jesus sprach zu ihnen: Wenn ihr den Menschensohn erhöhen werdet, dann werdet ihr erkennen, dass ich es bin und nichts von mir selber tue, sondern wie mich der Vater gelehrt hat, so rede ich.
Johannes 8,28